Deutsche Führung ist nicht gänzlich neu im außen- und europapolitischen Diskurs der Berliner Republik. Spätestens in der Eurokrise wurde deutlich, wie sehr die Bundesrepublik zur Führungsmacht in der Eurozone geworden ist. Doch inwiefern ist es gerechtfertigt, von Deutschland als Führungs- oder gar Hegemonialmacht zu sprechen? Unter Rückgriff auf Charles P. Kindleberger wird in diesem Beitrag eine konstruktivistische Sichtweise auf internationale Führung entfaltet und argumentiert, dass das deutsche Führungsproblem in der Eurozone weniger darin liegt, dass die Bundesregierung das bisherige Euro-Krisenmanagement maßgeblich geprägt hat. Problematisch ist vielmehr, dass die Bundesregierung aufgrund innerstaatlicher Interessen eine eigennützige Politik verfolgt und nur zögerlich bereit war und ist, besondere finanzielle Lasten und politische Pflichten zu tragen. Da politische Führung in der Eurozone in einem Gemeinschaftsumfeld ausgeübt wird, muss der Führungswille von Staaten - so die These - funktional mit der Bereitschaft zur Übertragung von staatlicher Souveränität und normativ mit Verantwortung und Solidarität gegenüber der EU einhergehen. Dass sich Berlin nach wie vor schwertut, im eigenen Interesse mehr finanzielle und politische Verpflichtungen für Europa zu übernehmen, stellt das eigentliche Führungsrätsel deutscher Euro-Rettungspolitik dar.
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