Erzählungen können in verschiedener Hinsicht Konflikte ausdrücken: Sie können von konflikthaften Situationen handeln und spezifische Auffassungen des Guten und Schlechten präsentieren. In ihnen können sich aber auch Konflikte zwischen Erzähler und Zuhörer manifestieren: Erzählungen artikulieren Interpretationen der Welt, die gelten sollen. Sie wenden sich deshalb immer an (reale oder imaginierte) Zuhörer, die sich diesen Interpretationen anschließen sollen. In diesem Beitrag werden aus narrationspsychologischer und diskurstheoretischer Perspektive Erzählsituationen unter diesen Gesichtspunkten betrachtet. Am Beispiel einer autobiographischen Erzählung über politische Demonstrationen im Serbien der 1980er Jahre wird gezeigt, wie der Erzähler die Motive seiner Teilnahme für eine Zuhörerschaft anschlussfähig machen möchte, der eine moralische Verurteilung des Geschehenen unterstellt wird. Dies wird mithilfe des Konzepts des »leeren Signifikanten« als Versuch moralischer Vergemeinschaftung analysiert.
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