Weitergeltung & Nachwirkung
Kollektivrechtliche Vergütungsordnungen im Lichte von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
Zusammenfassung
Die Arbeit befasst sich mit der äußerst praxisrelevanten Weitergeltung kollektivrechtlicher – d. h. vor allem tarifvertraglicher – Vergütungsordnungen. Untersucht wird, inwiefern diese Vergütungssysteme nach ihrer Kündigung im Betrieb zu beachten bleiben und z. B. auch für neu eingestellte Arbeitnehmer gelten, obwohl die originäre Tarifbindung des Arbeitgebers nicht mehr besteht.
Außerdem wird herausgearbeitet, dass sämtliche Vergütungselemente der Arbeitnehmer eine „Gesamtvergütung“ bilden, sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG also nicht nur auf die einzelnen Lohnbestandteile bezieht. Bei alledem wird einerseits die viel diskutierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gegen die mitunter harsche Kritik des Schrifttums verteidigt. Andererseits werden aber auch die Grenzen der zwingenden Mitbestimmung aufgezeigt und es wird deutlich gemacht, an welchen Stellen sich das Bundesarbeitsgericht auf dem dogmatisch falschen Pfad befindet.
- 2–16 Titelei/Inhaltsverzeichnis 2–16
- 17–20 Abkürzungsverzeichnis 17–20
- 21–24 A. Einleitung 21–24
- 25–106 B. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen: Mittel zur kollektivrechtlichen Gestaltung von Arbeitsverhältnissen 25–106
- 25–39 I. Der Tarifvertrag 25–39
- 25–28 1. Grundlagen 25–28
- 28–29 2. Abschluss und insbesondere Beendigung 28–29
- 29–30 3. Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG 29–30
- 30–39 4. Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG 30–39
- 39–47 II. Die Betriebsvereinbarung 39–47
- 39–41 1. Grundlagen 39–41
- 41–42 2. Abschluss und insbesondere Beendigung 41–42
- 42–46 3. Nachwirkung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG 42–46
- a. Mitbestimmungspflichtige Tatbestände
- b. Mitbestimmungsfreie Tatbestände
- c. Teilmitbestimmte Tatbestände
- 46–47 4. Abgrenzung zur Regelungsabrede 46–47
- 47–103 III. Kollision individualvertraglicher und kollektivrechtlicher Regelungen 47–103
- 47–48 1. Kollision von Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung beziehungsweise Tarifvertrag 47–48
- 48–49 2. Kollision mehrerer Betriebsvereinbarungen oder mehrerer Tarifverträge 48–49
- 49–103 3. Kollision von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung 49–103
- a. Vorrang tarifvertraglicher und tarifvertragsüblicher Regelungen: Die Regelungssperre des § 77 Abs 3 Satz 1 BetrVG
- aa. Normzweck
- bb. Voraussetzungen für die Sperrwirkung
- (1) Tarifvertragliche Regelung
- (2) Tarifvertragsübliche Regelung
- cc. Wirkung der Regelungssperre
- dd. Ausnahmen vom Grundsatz der Sperrwirkung
- b. Vorbehalt gesetzlicher und tarifvertraglicher Regelungen: Die Regelungssperre des § 87 Abs 1 Einleitungssatz BetrVG
- aa. Normzweck
- bb. Voraussetzungen für die Sperrwirkung
- (1) Gesetzesvorbehalt
- (2) Tarifvertragsvorbehalt
- (3) Inhaltlich ausreichende Regelung
- cc. Wirkung der Regelungssperre
- c. Das Verhältnis von § 77 Abs. 3 Satz 1 und § 87 Abs 1 Einleitungssatz BetrVG
- aa. Vorrang-Theorie
- bb. Zwei-Schranken-Theorie
- cc. Unterschiede infolge der Anwendung beider Theorien
- (1) Fehlende Tarifvertragsbindung des Arbeitgebers
- (2) Bloße Tarifvertragsüblichkeit einer Regelung
- dd. Gesetzesauslegung
- (1) Wortlaut
- (2) Systematik
- (3) Entstehungsgeschichte
- (4) Telos
- (a) Verfassungsrechtliche Vorgaben
- (b) Normzweck des Tarifvertragsvorranges
- (c) Normzweck des Tarifvertragsvorbehaltes
- (d) Präjudizierung künftiger Tarifverträge
- (e) Arbeitnehmerschutz auch durch Regelungsabreden
- (f) Möglichkeit des Abschlusses eines Tarifvertrages
- (g) Normzweckabwägung
- (h) Zwischenergebnis
- (5) Ergebnis der Gesetzesauslegung: Vorzug der Zwei-Schranken-Theorie
- (6) Weitere Bedenken gegen die Anwendung der Zwei-Schranken-Theorie
- (a) Zur Zulässigkeit von Regelungsabreden im Lichte des Tarifvertragsvorranges
- (b) Regelungsabreden im Einigungsstellenverfahren
- (c) Bedürfnis nach betriebsnahen Regelungen
- (d) Zwischenergebnis
- (7) Vorschlag: Differenzierung nach der Verbandsmitgliedschaft des jeweiligen Arbeit gebers
- 103–105 IV. Skizzierung des kollektiven Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst 103–105
- 105–106 V. Zusammenfassung 105–106
- 107–150 C. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung: Zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs 1 Nr. 10 BetrVG 107–150
- 107–120 I. Tatbestandliche Voraussetzungen des Mitbestimmungsrechts 107–120
- 107–110 1. Zweck und Bedeutung des Mitbestimmungsrechts 107–110
- 110–111 2. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts 110–111
- 111–118 3. Grenzen des Mitbestimmungsrechts 111–118
- a. Mitbestimmungsrecht nur im Rahmen von kollektiven Tatbeständen
- b. Kein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die absolute Lohnhöhe
- c. Einschränkungen des Mitbestimmungsrechts bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers
- aa. Tarifgebundener Arbeitgeber
- bb. Nicht tarifgebundener Arbeitgeber
- 118–120 4. Teilmitbestimmte Betriebsvereinbarungen 118–120
- 120–147 II. Die rechtlichen Folgen bei Bestehen eines Mitbestimmungsrechts 120–147
- 120–120 1. Initiativrecht der Betriebsparteien 120–120
- 120–132 2. Verletzung des Mitbestimmungsrechts 120–132
- a. Kollektivrechtliche Folge: Allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrates
- b. Individualrechtliche Folge: Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung
- 132–147 3. Nachwirkung 132–147
- a. Betriebsvereinbarung
- aa. Angelegenheit unterliegt vollumfänglich der zwingenden Mitbestimmung
- bb. Angelegenheit unterliegt vollumfänglich der freiwilligen Mitbestimmung
- cc. Teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung
- (1) Vollständige Streichung einer freiwilligen Leistung
- (2) Änderung der Verteilungsgrundsätze
- (3) Kürzung des Volumens und Änderung der Verteilungsgrundsätze
- (4) Kürzung des Volumens ohne Änderung der Verteilungsgrundsätze
- (5) Zwischenergebnis
- (6) Zur rechtlichen Natur der Kürzungsentscheidung des Arbeitgebers
- b. Regelungsabrede
- aa. Keine analoge Anwendung von § 77 Abs. 6 BetrVG
- bb. Unzulässigkeit einer Nachwirkungsvereinbarung
- 147–150 III. Zusammenfassung 147–150
- 151–306 D. Weitergeltung und Nachwirkung kollektivrechtlicher Vergütungsordnungen 151–306
- 151–240 I. Weitergeltung: Leistungsansprüche neu eingestellter Arbeitnehmer 151–240
- 151–166 1. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Weitergeltung kollektivrechtlicher Vergütungsordnungen 151–166
- a. Leitentscheidung vom 2. März 2004
- aa. Sachverhalt
- bb. Tragende Entscheidungsgründe
- (1) Kein Anspruch auf Grundlage des gekündigten Tarifvertrages
- (2) Kein Anspruch auf Grundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes
- (3) Anspruch auf Grundlage von § 611 BGB unter Berücksichtigung einer Verletzung des zwingenden Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
- (a) Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
- (b) § 611 BGB und die bisherige betriebliche Vergütungsordnung
- cc. Resultat
- b. Einordnung in den Kontext vorhergehender und nachfolgender Entscheidungen
- c. Fazit
- 166–176 2. Auswertung des arbeitsrechtlichen Schrifttums 166–176
- a. Ablehnende Stellungnahmen: „Ansprüche ohne Anspruchsgrundlage“
- b. Zustimmende Stellungnahmen
- 176–234 3. Bewertung: Die Weitergeltung als erforderliches Mittel zur Sicherung der zwingenden betrieblichen Mitbe stimmung nach § 87 BetrVG 176–234
- a. Weitergeltung im Nachwirkungsstadium eines Tarifvertrages
- aa. Zur dogmatischen Figur der Weitergeltung
- (1) Abgrenzung und Rechtsnatur
- (a) Abgrenzung zur Nachbindung im Sinne von § 3 Abs. 3 TVG
- (b) Abgrenzung zur Nachwirkung im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG
- (c) Abgrenzung zu den Betriebsnormen im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG
- (d) Zwischenergebnis: Weitergeltung als eigenständige dogmatische Figur
- (2) Zulässigkeit der Weitergeltung
- (a) Gesetzliche Regelung von Nachbindung und Nachwirkung im Tarifvertragsgesetz als Ausprägung eines möglicherweise abschließenden gesetzgeberischen Willens?
- (b) Auflösung eines systemimmanenten Defizites im Arbeitnehmerschutz: Die Gestaltung des Übergangs von einem tarifvertraglichen zu einem betrieblichen Ordnungsgefüge
- (c) Kein Übermaß an betriebsverfassungsrechtlichen Sanktionen
- (3) Dogmatischer Anknüpfungspunkt für die Weitergeltung
- (a) Keine analoge Anwendung von § 77 Abs.| 6 BetrVG
- (b) Gesamtanalogie zu § 4 Abs. 5 TVG sowie §§ 77 Abs. 6, 87 BetrVG
- (4) Zwischenergebnis
- (5) Abzulehnende Lösungsansätze
- (a) Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz als Maßstab
- (b) § 612 Abs. 2 BGB als Maßstab
- (c) Zwischenergebnis
- (6) Zur Frage der Weitergeltung bei ursprünglich mehreren im Betrieb anwendbaren tarifvertraglichen Vergütungsordnungen
- (7) Zur Weitergeltung bei der Einführung von Entlohnungsgrundsätzen, die sich nicht an dem ursprünglich maßgeblichen Tarifvertrag orientieren
- bb. Zur Verdrängung entgegenstehender Individualvereinbarungen
- cc. Zur Frage der Anspruchsgrundlage für die Entgeltansprüche der im Nachwirkungsstadium eines Tarifvertrages eingestellten Arbeitnehmer
- b. Weitergeltung bei individualvertraglicher Bezugnahme auf Tarifverträge nach deren Kündigung
- aa. Teilweise normative und teilweise individualvertraglich vereinbarte Geltung
- bb. Ausschließlich individualvertraglich vereinbarte Geltung
- c. Weitergeltung beim Betriebsübergang
- d. Weitergeltung bei gekündigten Betriebsvereinbarungen
- 234–236 4. Ergebnisse der Untersuchung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Weitergeltung kollektivrechtlicher Vergütungsordnungen 234–236
- 236–240 5. Übertragung der Grundsätze der Weitergeltung auf die Fallgruppe „Arbeitszeit“ 236–240
- 240–294 II. Nachwirkung: Betriebsvereinbarungen und die Gesamtvergütung 240–294
- 240–249 1. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Gesamtvergütung 240–249
- a. Leitentscheidung vom 26. August 2008
- aa. Sachverhalt
- bb. Tragende Entscheidungsgründe
- (1) Kein Verstoß gegen den Tarifvertragsvorrang des § 77 Abs. 3 BetrVG
- (2) Nachwirkung der Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG
- (a) Vorliegen einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung
- (b) Freiwilligkeit aller Leistungen beim nicht tarifgebunden Arbeitnehmer
- (c) Gesamtvergütung zur Begründung eines Mitbestimmungsrechts
- cc. Resultat
- b. Einordnung in den Kontext vorhergehender und nachfolgender Entscheidungen
- c. Fazit
- 249–256 2. Auswertung des arbeitsrechtlichen Schrifttums 249–256
- a. Ablehnende Stellungnahmen: „Erfurter Allerlei“
- b. Zustimmende Stellungnahmen
- 256–294 3. Bewertung: Maßgeblichkeit der Gesamtvergütung als Konsequenz der Mitbestimmungspflichtigkeit von Entlohnungsgrundsätzen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 256–294
- a. Freiwilligkeit der Lohnzahlung beim nicht tarifgebundenen Arbeitgeber
- b. Zusammenfassung aller Gehaltsbestandteile zu einer Gesamtvergütung
- aa. Ausgangspunkt: Umfassendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
- bb. Gesamtvergütung oder isolierte Betrachtung einzelner Lohnbestandteile?
- (1) Telos der Mitbestimmung in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
- (2) Parallele zur erstmaligen Einführung eines Gehaltsbestandteils
- (3) Keine Beeinträchtigung der Zweckbestimmungs- Souveränität
- (4) Ausnahme: Betriebliche Altersversorgung
- cc. Anknüpfung des Mitbestimmungsrechts
- (1) Verschiebung des relativen Abstands der jeweiligen Gesamtvergütungen
- (a) Fixbetrag und Fixbetrag
- (b) Fixbetrag und prozentualer Betrag
- (c) Prozentualer Betrag und Fixbetrag
- (d) Prozentualer Betrag und prozentualer Betrag
- (e) Zwischenergebnis
- (2) Neue „Stückelung“ der Gehaltszahlungen
- (3) Exkurs: Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs 1 Nr. |4 BetrVG?
- (4) Zwischenergebnis
- dd. Formelle Trennung der verschiedenen Gehaltsbestandteile
- (1) Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Oktober 2010
- (2) Kritik an der neuerlichen Kehrtwende der Rechtsprechung
- (a) Keine bewusst herbeigeführte formelle Aufspaltung der Gesamtvergütung
- (b) Kein Erfordernis einer zusätzlichen „Mitteilung“ an die Arbeitnehmer
- ee. Zwischenergebnis
- c. Bezugspunkt der Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen
- 294–294 4. Ergebnisse der Untersuchung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Gesamtvergütung 294–294
- 294–297 III. Zusammentreffen von Weitergeltung und Gesamtvergütung 294–297
- 297–301 IV. Exkurs: Die Auswirkungen der Zwei-Schranken-Theorie 297–301
- 297–299 1. Auswirkungen auf die Weitergeltung tarifvertraglicher Vergütungsordnungen 297–299
- 299–301 2. Auswirkungen auf die Nachwirkung teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen 299–301
- 301–306 V. Zusammenfassung 301–306
- 307–313 E. Resümee 307–313
- Anhang
- 313–313 Beispielsrechnung Nr. 1 313–313
- 314–314 Beispielsrechnung Nr. 2 314–314
- 315–315 Beispielsrechnung Nr. 3 315–315
- 316–316 Beispielsrechnung Nr. 4 316–316
- 317–318 Beispielsrechnung Nr. 5 317–318
- 319–325 Literaturverzeichnis 319–325