Nietzsche und die Tiefenpsychologie
Zusammenfassung
Die Philosophie Friedrich Nietzsches hat die theoretischen Grundlegungen der großen tiefenpsychologischen Schulen tiefgreifend beeinflusst. Im Falle der Psychoanalyse Sigmund Freuds vollzog sich diese Wirkung eher in Form einer impliziten Bezugnahme auf das Werk des radikalen Analytikers moderner Subjektivität, während sich in der Analytischen Psychologie C. G. Jungs durchgängig Spuren einer direkten Auseinandersetzung mit Nietzsches Denken nachweisen lassen. Nietzsches folgenreiche Kritik der Moderne findet bei Freud, Jung und Adler seinen Widerhall im Ringen eines von Brüchen durchzogenen Subjektes um neue und zeitgemäße Formen der Selbstverständigung. Ausgehend von grundsätzlichen Überlegungen zur Hermeneutik der Nietzsche-Rezeption, vereinigt der vorliegende Band Beiträge, die sich den bislang wenig erforschten Zusammenhängen zwischen Nietzsches Denken und den tiefenpsychologischen Konzeptionen der Psychoanalyse (S. Freud), Analytischen Psychologie (C. G. Jung) und Individualpsychologie (A. Adler) widmen. Als verbindende Achse erweist sich dabei die Idee des schöpferischen Menschen in seiner Eigenmacht zur Selbst- und Weltgestaltung. Der thematische Horizont des Buches schließt Reflexionen zur jüdischen Nietzsche-Rezeption ein und erweitert damit den Blickwinkel auf eine zeitgeschichtliche Dimension, die in den tiefenpsychologischen Diskursen- genannt oder ungenannt - präsent ist.
Schlagworte
- 1–4 Titelei/Inhaltsverzeichnis 1–4
- 5–6 Inhalt 5–6
- 7–18 Vorwort 7–18
- 19–52 ›Verwechselt mich vor Allem nicht!‹ Nietzsches Text-Partitur und ihre Realisationen 19–52
- I. Vom Verstehen
- II. Nietzsche im 20. Jahrhundert: Der Sturz
- III. Die Leuchtkraft starker Gegenbegriffe
- 1. Oberfläche und Tiefe
- 2. Endlichkeit und Interpretations-Unendliches
- 3. Wahrhaftigkeit und Auslöschung der Differenz von wahr und falsch
- 4. Erinnerung und Vergessen
- IV. Jüdische Spur
- V. Nietzsches neue Tafeln. Das Böse und das Schöpferische
- VI. Zum Anfang zurück: Verwechseln und Verstehen
- 53–90 Gewissen und Moral im Kontext des Freud-Nietzsche-Diskurses 53–90
- Einführung zum Freud-Nietzsche-Diskurs
- I. Die Entwicklung einer Moral- und Gewissenspsychologie bei Nietzsche
- 1. Hinwendung zur Moralpsychologie
- 2. Zur Psychologie und Genealogie des »schlechten Gewissens«
- 3. Das gewandelte und befreite Gewissen bei Nietzsche
- II. Die Konzeptualisierung des Gewissens bei Freud
- 2. Die psychodynamische Perspektive im Rahmen der Über-Ich-Theorie
- 2. Die Erweiterung durch eine moral- und kulturtheoretische Konzeptualisierung
- 3. Möglichkeiten der Gewissensentwicklung als Wandlung und Befreiung
- III. Zum Vergleich zwischen Nietzsches und Freuds Moral- und Gewissenspsychologien
- 1. Strukturelle Ähnlichkeiten
- 2. Differenzen beider Moral- und Gewissenspsychologien
- IV. Warum sich Psychoanalyse und Nietzsche-Forschung aufeinander zubewegen sollten
- 91–106 Alfred Adlers Nietzsche-Bezug und die schöpferische Kraft 91–106
- I. Einleitung
- II. Adlers Quellen für Nietzsche
- III. Nietzsche – Bezüge in Adlers Werkabfolge
- IV. Spuren Nietzsches in zentralen Begriffen von Adler
- 1. Kompensation
- 2. Machtstreben, Wille zur Macht/Wille zum Schein
- a. Wille zur Macht als Grundkraft
- b. Wille zum Schein
- c. Wille zur Macht als Machtstreben
- 3. Streben nach Vollkommenheit – Kritik am Übermenschen
- 4. Schöpferische Kraft
- 107–120 »Ein tiefstes Erlebnis«. C. G. Jungs Lektüre von Nietzsches ›Also sprach Zarathustra‹ anhand seiner Seminare von 1934–39 107–120
- 1. Der Weg zu Nietzsche
- 2. Was interessiert Jung am »Zarathustra«-Text?
- 3. »Zarathustra« und »die geistige Epidemie« der NS-Zeit
- 4. Zarathustra- historische Gestalt oder archetypische Figur?
- 5. Nietzsche – für Jung ein Sprachrohr des kollektiven Unbewußten
- 6. Gegenentwurf zum Christentum
- 7. Nach dem Tode Gottes
- 8. Nietzsches Psychopathologie und Hellsichtigkeit
- 9. Ein psychoanalytischer Blick auf »Zarathustra’s Vorrede«
- 121–145 Um den Sinai. Der Jüdische Nietzscheanismus in religionsgeschichtlicher Perspektive 121–145
- 1. Am Sinai
- Dekalog
- 2. Unterm Sinai
- 3. Über den Sinai
- 4. Gegen den Sinai
- Antidekalog
- 5. Nach Zion
- 6. Vom Obersalzberg
- 146–167 Erich Neumanns Tiefenpsychologie und ›Neue Ethik‹ im Kontext jüdischer Nietzscherezeption 146–167
- 1. Gewissen – Stimme
- 2. Vater – Sohn
- 3. »Der hässlichste Mensch«
- 168–182 Vom Übermenschen zum schöpferischen Menschen. Erich Neumanns Anthropologie der Kreativität 168–182
- 1. Ausgangspunkt: Nietzsches »Übermensch«
- 2. Neumanns Anthropologie des Schöpferischen
- 2.1. Das Ich ist auf ein Nicht-Ich angewiesen
- 2.2. Jede und jeder ist Adam: schöpferisches Geschöpf.
- 2.3. Das Ich ist schöpferisch und kostbar.
- 2.4. Der schöpferische Mensch ist gefährdet
- 2.5. Schöpferische Psychotherapie stellt demütig die Ich-Selbst-Achse wieder her.
- 3. Diskussion: Geschöpflichkeit?
- 183–187 Autorenverzeichnis 183–187