Der Westen gibt sich gewiss: Russland hat die Krim annektiert, unterstützt bzw. koordiniert die Aktivitäten der Separatisten in der Ostukraine und trägt die Verantwortung für den Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs MH17. Für diese Sicht mögen gute Gründe sprechen. Allerdings ist die Lage vor Ort komplex und undurchsichtig. Einfache Problembeschreibungen und alleinige Schuldzuweisungen dürften ihr kaum gerecht werden. Auf ihnen jedoch basiert die Antwort des Westens, Moskau mit Sanktionen zu belegen. Mögliche Anteile der Kiewer Regierung oder gar eigene Beiträge an der Konflikteskalation geraten gar nicht erst in den Blick. Aber sogar dann, wenn die Sicht des Westens vollends zuträfe, drängte sich die Frage auf, ob Embargos im konkreten Fall ein kluges politisches Instrument darstellten. Zwar eröffnen sie durchaus die Chance auf den gewünschten Effekt, bergen aber auch das Risiko einer Verhärtung konfrontativer Beziehungsmuster. Diese Gefahr sollte insbesondere in dem Jahr, das schmerzhaft an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren erinnert, bewusst bleiben. Dies gilt umso mehr, als sich im Diskurs nun auch Stimmen erheben, die für eine Rückkehr zur Abschreckung oder gar ein begrenztes militärisches Eingreifen in das Konfliktgeschehen plädieren. S+F möchte seinen Anteil zur diskursiven Aufklärung leisten. Daher haben wir Experten gebeten, je unterschiedliche Aspekte zu beleuchten: die konkreten Ziele des Westens, die allgemeine Voraussetzungslastigkeit erfolgreicher Sanktionen, die Funktion wirtschaftlicher Maßnahmen im aktuellen politischen Prozess, die Auswirkungen von Drohstrategien auf das Konfliktverhalten sowie die Chancen zum Ausstieg aus der Eskalationsspirale. Gerne hätten wir auch die Bundesregierung zu Worte kommen lassen, aber weder das Kanzleramt noch das Auswärtige Amt mochten die Sanktionspolitik erläutern. Umso mehr sei den Autoren für ihren Beitrag zum Diskurs gedankt.
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