Beschaffung von Hilfsmitteln durch die gesetzliche Krankenversicherung
Zur Unvereinbarkeit des § 127 SGB V mit dem unionsrechtlichen Vergaberecht
Zusammenfassung
Der Gesetzgeber hatte im Rahmen der Novellierung der Systematik des § 127 SGB V durch das GKV-OrgWG zum 01.01.2009 das Ziel vor Augen, eine grundsätzliche Ausschreibungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen im Hinblick auf den Abschluss von Rahmenverträgen zur Hilfsmittelversorgung zu vermeiden. Eigens zu diesem Zweck wurde das Beitrittsrecht in § 127 Abs. 2 a SGB V etabliert. Dadurch meint der Gesetzgeber ein Institut geschaffen zu haben, welches die Anwendbarkeit des europarechtlich determinierten Kartellvergaberechts und mithin eine Ausschreibungspflicht für Verträge nach § 127 Abs. 2 SGB V aushebele.
Während an der Stichhaltigkeit des gesetzgeberischen Standpunktes aus rein vergaberechtlicher Sicht Zweifel geäußert werden, bestätigte das Landessozialgericht NRW in einem Aufsehen erregenden Beschluss im April des Jahres 2010 die Sichtweise des Gesetzgebers.
Unter kritischer Würdigung des Standpunktes des Gesetzgebers sowie der Entscheidung des LSG NRW setzt sich der Autor erstmalig systematisch und ausführlich mit der Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts auf Verträge nach § 127 Abs. 2 SGB V auseinander.
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- 2–16 Titelei/Inhaltsverzeichnis 2–16
- 17–20 Abkürzungsverzeichnis 17–20
- 21–25 A. Einleitung 21–25
- 26–30 B. Problemstellung 26–30
- 31–118 C. Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts auf Hilfsmittelversorgungsverträge nach § 127 I, II SGB V 31–118
- 31–35 I. Möglicher Ausschluss des Kartellvergaberechts 31–35
- 31–34 1. Kein Ausschluss des Kartellvergaberechts durch § 69 SGB V 31–34
- 34–35 2. Kein Ausschluss des Vergaberechts durch § 22 I 1 SVHV 34–35
- 35–36 II. Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts kraft Verweisung in § 127 I 1 SGB V 35–36
- 36–102 III. Vorliegen der Anwendbarkeitsvoraussetzungen der §§ 98 ff. GWB 36–102
- 36–45 1. Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB 36–45
- a) Krankenkassen als juristische Personen des öffentlichen Rechts
- b) Im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art
- (1) Allgemeininteresse der Aufgaben
- (2) Nichtgewerblichkeit der Aufgaben
- c) Staatsgebundenheit der gesetzlichen Krankenkassen
- 45–98 2. Hilfsmittelversorgungsverträge nach § 127 I, II GWB als öffentliche Aufträge im Sinne des § 99 GWB 45–98
- a) Vertragsparteien eines öffentlichen Auftrags
- b) Vorliegen von Verträgen im Sinne von § 99 I GWB
- (1) Personenverschiedenheit der Vertragspartner
- (2) Öffentlich rechtliche Natur der Verträge
- c) Art der vertragsgegenständlichen Leistungen
- (1) Begriff des Lieferauftrages nach § 99 II GWB
- (2) Begriff des Dienstleistungsauftrages nach § 99 IV GWB
- (3) Einordnung der Hilfsmittelversorgungsverträge nach § 127 I, II SGB V
- (aa) Abgrenzungskriterium aus § 99 VII 1 GWB
- (bb) Abgrenzung von Hilfs- zu Heilmitteln
- d) Vergabe von Hilfsmittelversorgungsverträgen nach § 127 I, II SGB V als mögliche Konzessionen
- (1) Wesen und Arten von Konzessionen
- (2) Nichtanerkennung einer vergaberechtsfreien Figur der Lieferkonzession
- (3) Hilfsmittelversorgungsverträge als mögliche (Dienstleistungs-)Konzessionen
- e) Vergabe von Hilfsmittelversorgungsverträgen nach § 127 I, II SGB V als Rahmenvereinbarungen
- (1) Abgrenzung zwischen Konzession und Rahmenvereinbarung
- (2) Bedenken gegen die Annahme von Rahmenvereinbarungen
- f) Entgeltlichkeit der Rahmenvereinbarungen nach § 127 I, II SGB V
- (1) Relevanz der Entgeltlichkeit von Rahmenvereinbarungen
- (2) Begriff der Entgeltlichkeit
- (3) Entgeltlichkeit der Einzelaufträge
- (4) Entgeltlichkeit der Rahmenvereinbarungen
- (aa) Keine Entgeltlichkeit durch Abrufverpflichtung
- (bb) Entgeltlichkeit durch Vermittlung von Exklusivitätsrechten
- (aaa) Exklusivität von Rahmenvereinbarungen nach § 127 I SGB V
- (bbb) Mögliche Exklusivität von Rahmenvereinbarungen nach § 127 II SGB V
- (5) Zwischenergebnis
- g) Exklusivität als mögliches eigenständiges Tatbestandsmerkmal eines öffentlichen Auftrags
- h) Vorliegen eines Beschaffungsvorgangs
- i) Ergebnis
- 98–102 3. Überschreiten des Schwellenwertes aus § 2 Nr. 2 VgV 98–102
- a) Höhe des Schwellenwertes
- b) Schätzung des Auftragswertes
- (1) Schätzung des Auftragswertes bei Rahmenvereinbarungen nach § 127 I, II SGB V
- (2) Schätzung des Auftragswertes bei Einzelvereinbarungen nach § 127 III SGB V
- 102–102 4. Kein Auftrag im Sinne von § 100 II GWB 102–102
- 102–104 IV. Eingeschränkte Bereichsausnahme gemäß §§ 1 III VOL/A-EG, 4 IV VgV in Verbindung mit Anhang I Teil B zur VOL/A-EG 102–104
- 104–118 V. Mögliche Bereichsausnahmen aus dem Unionsrecht 104–118
- 104–105 1. Keine Bereichsausnahme infolge der Zugehörigkeit zu einem System sozialer Sicherung 104–105
- 105–118 2. Keine Bereichsausnahme aus Art. 168 AEUV 105–118
- a) Bedeutung und Systematik von Art. 168 AEUV
- b) Primärrechtskonforme Auslegung der Vergabekoordinierungsrichtlinie vor dem Hintergrund von Art. 168 AEUV
- (1) Verhältnis von Art. 168 AEUV zu Art. 114 AEUV
- (2) Rechtmäßigkeit des Erlasses der Richtlinie 2004/18/EG aufgrund von Art. 114 AEUV
- (aa) Subjektive Zielrichtung der Richtlinie 2004/18/EG
- (bb) Objektive Verbesserung des Binnenmarktes durch die Richtlinie 2004/18/EG
- 118–118 VI. Zwischenergebnis 118–118
- 119–130 D. Exkurs - Geltung eines vergaberechtlichen Mindeststandards bei der Vergabe von kartellvergaberechtsfreien Hilfsmittelversorgungsaufträgen aufgrund von Vorgaben des europäischen Primärrechts und des nationalen Verfassungsrechts 119–130
- 119–122 I. Primärrechtliche Grundsätze zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen 119–122
- 122–125 II. Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf die Vergabe von Unterschwellenaufträgen und Aufträgen über nicht-prioritäre Dienstleistungen 122–125
- 125–128 III. Inhaltliche Vorgaben des Vergabeprimärrechts 125–128
- 128–130 IV. Verfassungsrechtliche Vorgaben zur Vergabe von kartellvergaberechtsfreien Aufträgen 128–130
- 131–220 E. Die Vereinbarkeit der Systematik aus § 127 I, II SGB V mit der kartellvergaberechtlichen Hierarchie der Verfahrensarten 131–220
- 131–174 I. Bestehen einer Divergenz zwischen der Systematik aus § 127 I, II SGB V und der kartellvergaberechtlichen Hierarchie der Verfahrensarten 131–174
- 131–139 1. Hierarchie und Arten der kartellvergaberechtlichen Vergabeverfahren 131–139
- a) Grundsätzlicher Vorrang des offenen Verfahrens nach § 101 VII 1 1. HS GWB
- b) Verfahrenswahlfreiheit für Sektorenauftraggeber nach § 101 VII 2 GWB
- c) Das offene Verfahren nach § 101 II GWB
- d) Das nichtoffene Verfahren nach § 101 III GWB
- e) Der wettbewerbliche Dialog nach § 101 IV GWB
- f) Das Verhandlungsverfahren nach § 101 V GWB
- (1) Verhandlungsverfahren mit vorheriger Vergabebekanntmachung
- (2) Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung
- 139–144 2. Einordnung von § 127 II SGB V in die kartellvergaberechtliche Terminologie 139–144
- a) Verständnis von § 127 II 1 SGB V nach der Systematik der Vorschrift
- b) Teleologisches Verständnis von § 127 II 1 SGB V
- c) Einordnung der Bekanntmachungsobliegenheit aus § 127 II 3 SGB V
- 144–147 3. Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens 144–147
- a) Verweisung auf die VgV
- b) Verweisung auf die VOL/A
- c) Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens nach § 3 III, IV VOL/A-EG
- 147–166 4. Unzulässigkeit der optionalen Vergabe von Rahmenvereinbarungen nach § 127 II SGB V im Verhandlungsverfahren 147–166
- a) Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb, § 3 IV VOL/A-EG
- (1) Übergang ins Verhandlungsverfahren mangels annehmbarer Angebote, § 3 IV lit. a) VOL/A-EG
- (2) Beschaffung von Waren zu Forschungs- und Entwicklungszwecken, § 3 IV lit. b) VOL/A-EG
- (3) Leistungserbringung nur durch ein Unternehmen möglich, § 3 IV lit. c) VOL/A-EG
- (4) Zwingende Dringlichkeit der Vergabe, § 3 IV lit. d) VOL/A-EG
- (5) Zusätzliche Lieferungen zur Erneuerung oder Erweiterung, § 3 IV lit. e) VOL/A-EG
- (6) Zusätzliche Dienstleistungen und Wiederholung gleichartiger Dienstleistungen, § 3 IV lit. f) und g) VOL/A-EG
- (7) Auftragsvergabe im Anschluss an einen Wettbewerb, § 3 IV lit. h) VOL/A-EG
- (8) Einkauf auf Warenbörsen, § 3 IV lit. i) VOL/A-EG
- (9) Vorteilhafte Gelegenheiten, § 3 IV lit. j) VOL/A-EG
- b) Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb, § 3 III VOL/A-EG
- (1) Nur auszuschließende Angebote, § 3 III lit. a) VOL/A-EG
- (2) Unmöglichkeit der vorherigen Gesamtpreisfestlegung, § 3 III lit. b) VOL/A-EG
- (3) Unmöglichkeit der Festlegung vertraglicher Spezifikationen, § 3 III lit. c) VOL/A-EG
- c) Zwischenergebnis
- 166–168 5. Kein Einfluss von § 69 II 3 SGB V auf das gefundene Ergebnis 166–168
- 168–174 6. Kein Einfluss der Empfehlungen nach § 127 I a SGB V auf das gefundene Ergebnis 168–174
- a) Rechtliche Unverbindlichkeit der Empfehlungen
- b) Kartellvergaberechtswidrigkeit des Empfehlungsinhalts
- (1) Kosten-Nutzen-Relation von Ausschreibungen, § 2 Nr. 1 der Empfehlungen
- (2) Enger Anbieterkreis, § 2 Nr. 2 der Empfehlungen
- (3) Gesundheitsrisiko für die Versicherten und Störung des Versorgungsablaufs, § 2 Nr. 5 und 6 der Empfehlungen
- (4) Nicht standardisierbare Leistungen und Leistungen mit hohem Dienstleistungsanteil, § 2 Nr. 3 und 4 der Empfehlungen
- 174–201 II. Richtlinienkonforme Auslegung von § 127 I, II SGB V 174–201
- 174–178 1. Grundsätzliches zur richtlinienkonformen Auslegung 174–178
- 178–180 2. Verbindlichkeit der Zielvorgaben der Vergabekoordinierungsrichtlinie 178–180
- a) Rechtsetzungsauftrag der Vergabekoordinierungsrichtlinie
- b) Lückenhafte Umsetzungssituation in Deutschland
- 180–190 3. Methodische Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung 180–190
- a) Wortlaut von § 127 I 1, II 1 SGB V
- (1) Richtlinienkonforme Auslegung des Wortes »können« in § 127 I 1 SGB V
- (2) Richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs der »Zweckmäßigkeit« aus § 127 I 1 SGB V
- (3) Richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs der »Ausschreibung« aus § 127 I 1 SGB V
- (4) Entbehrlichkeit einer richtlinienkonformen Interpretation von § 127 II 1 SGB V
- b) Sinn und Zweck der Systematik aus § 127 I, II SGB V
- c) Kein Verbleib eines nennenswerten eigenständigen Anwendungsbereichs von § 127 I, II SGB V
- d) Zwischenergebnis
- 190–201 4. Richtlinienkonforme Rechtsfortbildung der Systematik aus § 127 I, II SGB V 190–201
- a) Herleitung der Pflicht zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung
- b) Methodische Grenzen der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung
- (1) Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke
- (2) Unzulässigkeit der vollständigen Reduktion von § 127 I, II SGB V im Wege der Rechtsfortbildung
- 201–201 5. Ergebnis 201–201
- 201–217 III. Unmittelbare innerstaatliche Wirkung von Art. 28 Unterabsatz 2 VKR 201–217
- 201–207 1. Ausnahmecharakter der unmittelbaren innerstaatlichen Wirkung von Richtlinienbestimmungen 201–207
- 207–208 2. Unvollständige Umsetzung der Richtlinie 2004/18/EG 207–208
- 208–209 3. Hinreichende Genauigkeit von Art. 28 Unterabsatz 2 VKR 208–209
- 209–210 4. Unbedingte Ausgestaltung von Art. 28 Unterabsatz 2 VKR 209–210
- 210–217 5. Reichweite und Grenzen der unmittelbaren innerstaatlichen Wirkung 210–217
- a) Zulässige vertikale und unzulässige umgekehrt vertikale unmittelbare Wirkung von Richtlinienbestimmungen
- b) Unzulässigkeit einer horizontalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen
- c) Differenzierende Betrachtung bei drittbelastender unmittelbarer Wirkung von Richtlinienbestimmungen
- d) Zulässige Form der drittbelastenden unmittelbaren Wirkung von Art. 28 Unterabsatz 2 VKR
- 217–220 IV. Gesamtergebnis und rechtsdogmatische Folgen der unmittelbaren innerstaatlichen Wirkung von Art. 28 Unterabsatz 2 VKR 217–220
- 221–235 F. Fallgruppen einer kartellvergaberechtlich zulässigen Wahl des Verhandlungsverfahrens bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen zur Hilfsmittelversorgung 221–235
- 221–230 I. Vergabe von Rahmenvereinbarungen zur Hilfsmittelversorgung im Wege des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Vergabebekanntmachung, § 3 IV VOL/A-EG 221–230
- 221–224 1. Leistungserbringung nur durch ein Unternehmen möglich, § 3 IV lit. c) VOL/A-EG 221–224
- 224–226 2. Zusätzliche Lieferungen zur Erneuerung oder Erweiterung, § 3 IV lit. e) VOL/A-EG 224–226
- a) Erneuerung der Leistung
- b) Erweiterung der Leistung
- c) Allgemeines
- 226–229 3. Übergang ins Verhandlungsverfahren mangels annehmbarer Angebote, § 3 IV lit. a) VOL/A-EG 226–229
- 229–230 4. Bestehen einer Bekanntmachungspflicht aus § 127 II 3 SGB V 229–230
- 230–233 II. Vergabe von Rahmenvereinbarungen zur Hilfsmittelversorgung im Wege des Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Vergabebekanntmachung, § 3 III VOL/A-EG 230–233
- 230–231 1. Unmöglichkeit der vorherigen Gesamtpreisfestlegung, § 3 III lit. b) VOL/A-EG 230–231
- 231–232 2. Nur auszuschließende Angebote, § 3 III lit. a) VOL/A-EG 231–232
- 232–233 3. Keine eigenständige Bedeutung von § 127 II 3 SGB V 232–233
- 233–234 III. Beweislast und Darlegungsobliegenheit der gesetzlichen Krankenkassen, § 24 II lit. f) VOL/A-EG 233–234
- 234–235 IV. Rahmenvereinbarungsschluss im Verhandlungsverfahren contra kartellvergaberechtsfreie Einzelvereinbarung nach § 127 III SGB V 234–235
- 236–238 G. Fazit und Ausblick 236–238
- 239–248 Literaturverzeichnis 239–248