Vertikale strategische Minderheitsbeteiligungen als Gegenstand der Kartellverbote in Europa
Eine rechtsordnungsübergreifende Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Situation in der deutschen Energiewirtschaft
Zusammenfassung
Vor allem in der deutschen Energiewirtschaft erwerben Lieferanten zunehmend häufiger Minderheitsbeteiligungen an ihren Abnehmern. Die Wettbewerbsbehörden sehen diese Entwicklung insbesondere wegen der möglichen langfristigen Bindung des Abnehmers an den Lieferanten mit Sorge. Bislang wenden sie auf diese Erwerbsvorgänge jedoch ausschließlich die Fusionskontrollvorschriften an.
Der Autor erörtert die bislang wenig diskutierte Frage, inwieweit sich vertikale Minderheitsbeteiligungen ergänzend dazu auch am Maßstab des Kartellverbots überprüfen lassen. Er verfolgt dabei einen rechtsübergreifenden Ansatz, der neben dem Gemeinschaftsrecht auch die nationalen Kartellverbote in Deutschland, Frankreich und Großbritannien einbezieht. Ausgehend von der Situation in der deutschen Energiewirtschaft entwickelt er europaweit gültige Kriterien zur Beurteilung dieser Beteiligungssachverhalte, die auch in anderen Branchen Anwendung finden können.
Nach der Untersagung langfristiger Lieferverträge dürfte die praktische Bedeutung vertikaler Beteiligungsstrategien weiter zunehmen. Die Arbeit stellt einen wichtigen Diskussionsbeitrag zum Umgang mit diesen Strategien dar.
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- 2–14 Titelei/Inhaltsverzeichnis 2–14
- 15–18 Abkürzungen 15–18
- 19–84 Erster Abschnitt: Grundlagen 19–84
- 19–23 A. Einführung 19–23
- 19–21 I. Problembeschreibung 19–21
- 21–23 II. Rechtsordnungsübergreifender Ansatz 21–23
- 23–23 III. Gang der Untersuchung 23–23
- 23–72 B. Rechtstatsächliche Grundlagen 23–72
- 23–26 I. Begriff der vertikalen strategischen Beteiligung 23–26
- 1. Vertikale Unternehmensbeziehung
- 2. Strategische Zielsetzung
- 3. Geringe Beteiligungshöhe
- 26–51 II. Vorkommen vertikaler Minderheitsbeteiligungen 26–51
- 1. Die deutsche Energiewirtschaft
- a) Stromwirtschaft
- aa) Die Akteure der deutschen Stromwirtschaft
- bb) Vertikale Verflechtungen in der deutschen Stromwirtschaft
- b) Gaswirtschaft
- aa) Die Akteure der deutschen Gaswirtschaft
- bb) Vertikale Verflechtungen in der deutschen Gaswirtschaft
- 2. Energiewirtschaften anderer Mitgliedsstaaten
- a) Frankreich
- aa) Die Akteure der französischen Stromwirtschaft
- bb) Die Akteure der französischen Gaswirtschaft
- cc) Vertikale Verflechtungen in der französischen Energiewirtschaft
- b) Großbritannien
- aa) Stromwirtschaft
- bb) Gaswirtschaft
- c) Italien
- aa) Stromwirtschaft
- bb) Gaswirtschaft
- 3. Andere Wirtschaftszweige
- a) Probleme bei der Tatsachenermittlung
- b) Einzelbeispiele
- c) Allgemeine Kriterien
- aa) Struktur des Wirtschaftszweiges
- bb) Hindernisse beim Erwerb von Mehrheitsbeteiligungen
- cc) Erfolgsaussichten einer vertikalen Beteiligungsstrategie
- 51–65 III. Die typische Ausgestaltung von vertikalen strategischen Beteiligungen am Beispiel der deutschen Energiewirtschaft 51–65
- 1. Merkmale der strategischen Beteiligungen
- a) Beteiligungshöhe
- b) Rechtsform der Beteiligungsunternehmen
- c) Gründe für die Veräußerung und Auswahl des Mitgesellschafters
- d) Gesellschafterstruktur
- 2. Typische Vereinbarungen im Gesellschafts- oder Konsortialvertrag am Beispiel der deutschen Energiewirtschaft
- a) Die Fallpraxis des Bundeskartellamts
- aa) Beteiligungen knapp unterhalb von 50 %
- bb) Beteiligungen deutlich unterhalb von 50 %
- b) Auswertung
- aa) Beteiligungen knapp unter 50 %
- bb) Beteiligungen deutlich unter 50 %
- 65–72 IV. Schwächen der bisherigen Lösung über die Fusionskontrollkontrollvorschriften 65–72
- 1. Gemeinschaftsrechtliche Fusionskontrolle
- 2. Deutsche Fusionskontrolle
- 3. Britische Fusionskontrolle
- 4. Französische Fusionskontrolle
- 5. Zusammenfassung
- 72–84 C. Die bisherige Anwendung der Kartellverbote auf Minderheitsbeteiligungen durch Praxis und Wissenschaft 72–84
- 72–82 I. Anwendung in der Praxis 72–82
- 1. Philip-Morris-Entscheidung des EuGH
- 2. Die Praxis der Kommission
- a) Konzentrationsmemorandum
- b) Ruhrgas/BP
- c) Die Achtziger Jahre
- aa) Mecaniver/PPG
- bb) Philip Morris
- d) Untersuchungsschwerpunkte nach der Philip-Morris-Entscheidung
- aa) Koordinierung der Mütter
- bb) Einfluss auf das Beteiligungsunternehmen
- cc) Informationsmöglichkeiten des Gesellschafters
- e) Zusammenfassung
- 3. Exkurs: die Entscheidung JC Decaux/Affichage der schweizerischen Wettbewerbskommission
- 82–84 II. Die bisherige Anwendung der Kartellverbote auf den Erwerb von Unternehmensbeteiligungen Schrifttum 82–84
- 1. Quellenlage
- 2. Überblick über den Meinungsstand
- 85–207 Zweiter Abschnitt: Der Tatbestand der Kartellverbote 85–207
- 85–168 A. Wettbewerbsbeschränkung 85–168
- 85–122 I. Bezugsbindung und Beschränkung der Absatzmöglichkeiten der Konkurrenz 85–122
- 1. Problemaufriss
- 2. Möglichkeit des Minderheitsgesellschafters zur Beeinflussung der Bezugsentscheidung
- a) Rechtliche Einflussmöglichkeiten
- aa) Gesetzlich vorgesehene Einflussrechte
- bb) Durch besondere Bestimmungen oder Vereinbarungen eingeräumte Rechte
- b) Faktische Einflussmöglichkeiten
- aa) Faktischer Einfluss eines Minderheitsgesellschafters in der deutschen Energiewirtschaft nach überwiegender Ansicht
- bb) Die Gegenansicht des Kammergerichts und der betroffenen Unternehmen
- cc) Stellungnahme
- dd) Allgemeine Kriterien zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit einer faktischen Bezugsbindung
- c) Zwischenergebnis
- 3. Rechtliche Bewertung: Wettbewerbsbeschränkung durch Behinderung des Marktzugangs
- a) Ausschluss anderer Lieferanten als Wettbewerbsbeschränkung
- b) Kriterien zur Beurteilung der Spürbarkeit der Wetbewerbsbeschränkung
- aa) Dauerhaftigkeit der Bindung
- bb) Marktstellung des Lieferanten
- cc) Marktstellung des Abnehmers
- dd) Sonstige Marktbedingungen
- ee) Bestehen gleichartiger Unternehmensbeziehungen: Bündeltheorie
- ff) Möglichkeit zum Fremdbezug bei günstigeren Konkurrenzangeboten
- c) Beschränkung der Handlungsfreiheit des Beteiligungsunternehmens erforderlich?
- aa) Streitstand
- bb) Beschränkung der Handlungsfreiheit eines Beteiligten
- cc) Schlussfolgerung
- 4. Zwischenergebnis
- 5. Anwendung der ermittelten Grundsätze auf vertikale Minderheitsbeteiligungen in der deutschen Energiewirtschaft
- 122–143 II. Gruppeneffekt und Verhinderung potentiellen Wettbewerbs 122–143
- 1. Problemaufriss
- 2. Tatsächliche Auswirkungen der Minderheitsbeteiligungen auf den potentiellen Wettbewerb
- a) Verhinderung des potentiellen Wettbewerbs am Beispiel der deutschen Energiewirtschaft
- b) Übertragung des Ergebnisses auf andere Branchen
- aa) Prüfung des Vorliegens potentiellen Wettbewerbs im Einzelfall erforderlich
- bb) Behinderung potentiellen Wettbewerbs durch vertikale Minderheitsbeteiligungen
- cc) Zusammenfassung
- 3. Rechtliche Bewertung
- a) Verhinderung des potentiellen Wettbewerbs als Wettbewerbsbeschränkung im Sinne der Kartellverbote
- b) Spürbarkeit
- 143–163 III. Zugang zu wettbewerbsrelevanten Informationen und Beschränkung des Geheimwettbewerbs 143–163
- 1. Problemaufriss
- 2. Informationsmöglichkeiten des Minderheitsgesellschafters
- a) Informationsmöglichkeiten als Gesellschafter
- aa) Einsichtsrechte
- bb) Auskunftsrechte
- cc) Beschränkungen der Ausübung der Informationsrechte bei wettbewerblich relevanten Informationen
- b) Informationsmöglichkeiten durch Entsendung von Personen in die Organe der Gesellschaft
- aa) Beteiligung an der Geschäftsführung
- bb) Beteiligung an Kontrollaufgaben
- 3. Informationsmöglichkeiten der Beteiligungsunternehmen
- 4. Rechtliche Bewertung
- a) Erhöhung der Markttransparenz als Wettbewerbsbeschränkung
- b) Behandlung von Marktinformationssystemen
- c) Rückschlüsse auf die Beurteilung von Informationsmöglichkeiten durch Minderheitsbeteiligungen
- aa) Informationsmöglichkeiten der Beteiligungsunternehmen über andere Beteiligungsunternehmen
- bb) Informationsmöglichkeiten des Minderheitsgesellschafters
- 5. Zwischenergebnis
- 6. Anwendung des gefundenen Ergebnisses auf vertikale Minderheitsbeteiligungen in der deutschen Energiewirtschaft
- 163–168 IV. Begünstigung von Absprachen 163–168
- 1. Problemaufriss
- 2. Begünstigung von Absprachen durch Minderheitsbeteiligungen
- 3. Mögliche wettbewerbsbeschränkende Absprachen
- a) Vertikale Absprachen
- b) Absprachen zwischen potentiellen Wettbewerbern
- c) Horizontale Absprachen der Beteiligungsunternehmen untereinander
- 4. Begünstigende Faktoren
- 5. Rechtliche Bewertung
- 168–168 V. Ergebnis Wettbewerbsbeschränkung 168–168
- 168–207 B. Vereinbarung und Zurechnungszusammenhang 168–207
- 168–171 I. Abreden im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb 168–171
- 171–180 II. Anteilserwerb und die damit verbundenen Abreden als Vereinbarung zwischen Unternehmen 171–180
- 1. Erwerb vom Beteiligungsunternehmen selbst oder einem anderen Unternehmen
- 2. Erwerb von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts
- 3. Erwerb an der Börse
- a) Ansichten in der Literatur
- b) Stellungnahme
- 180–203 III. Zurechnungszusammenhang zwischen Wettbewerbsbeschränkung und Vereinbarung 180–203
- 1. Zweck oder Wirkung
- a) Bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen
- b) Bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen
- 2. Zurechnungszusammenhang zwischen Vereinbarung und den einzelnen zu erwartenden Wettbewerbsbeschränkungen
- a) Bezugsbindung
- aa) Ansicht des EuGH
- bb) Ansicht der Kommission
- cc) Ansichten in der Literatur
- dd) Stellungnahme
- b) Gruppeneffekt
- aa) Ansicht des EuGH
- bb) Ansichten in der Literatur
- cc) Stellungnahme
- c) Zugang zu wettbewerbsrelevanten Informationen
- aa) Frage von EuGH und Kommission offen gelassen
- bb) Ansichten in der Literatur
- cc) Stellungnahme
- d) Begünstigung von Absprachen
- aa) Ansicht von EuGH und Kommission
- bb) Ansichten in der Literatur
- cc) Stellungnahme
- 3. Zwischenergebnis: Außerbörslicher Beteiligungserwerb erfüllt Kartellverbotstatbestand
- 203–207 IV. Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen nach Beteiligungserwerb 203–207
- 1. Mögliche Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen
- a) Wettbewerbsabsprachen
- b) Informationsaustausch
- c) Interessenrespektierung bei Bezugsentscheidung und Eintritt in andere Wirtschaftsstufe
- 2. Erleichterung des Nachweises: Beteiligung als „indizieller Plusfaktor“
- 3. Ergebnis
- 208–266 Dritter Abschnitt: Beschränkungen und Folgen der Anwendung des Kartellverbots 208–266
- 208–232 A. Begrenzung des Anwendungsbereichs des Kartellverbots aufgrund systematischer Erwägungen 208–232
- 208–218 I. Verlust der Selbstständigkeit des Beteiligungsunternehmens als Hinderungsgrund für die Anwendung der Kartellverbote? 208–218
- 1. Die Berechtigung des Kriteriums
- a) Begründungsansätze in der Literatur
- b) Stellungnahme
- c) Die Einordnung des Kriteriums in die Systematik des Art. 81 EG
- 2. Inhalt des Kriteriums
- a) Die maßgeblichen Unternehmen
- b) Rechtliche oder wirtschaftliche Selbstständigkeit?
- c) Verlust der Selbstständigkeit beim Erwerb von Minderheitsbeteiligungen
- 3. Anwendung der Ergebnisse auf hier untersuchte Beteiligungen
- 218–232 II. Verhältnis zu den Fusionskontrollvorschriften 218–232
- 1. Überschneidungsbereich von Kartellverbot und Fusionskontrolle
- a) Kein Überschneidungsbereich im Gemeinschaftsrecht
- b) Überschneidungsbereich in den nationalen Rechtsordnungen
- aa) Deutsches Recht
- bb) Britisches Recht
- cc) Französisches Recht
- 2. Doppelkontrolle bei Beteiligungen, die den Zusammenschlussbegriff erfüllen
- a) Gemeinschaftsrecht
- b) Deutsches Recht
- c) Britisches Recht
- d) Französisches Recht
- aa) Strikte Trennung von Fusionskontrolle und Kartellverbot bis 2001
- bb) In der Praxis auch nach neuem Recht keine Doppelkontrolle
- 3. Zwischenergebnis
- 4. Keine Zulässigkeitsvermutung für Beteiligungen unterhalb der Zusammenschlussschwelle
- a) Allgemeiner Gleichheitssatz
- b) Normenhierarchie im Gemeinschafsrecht
- c) Ergebnis
- 232–249 B. Legalausnahme, Freistellung und „règle de raison“ 232–249
- 232–236 I. Verschiedene Wege zur Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Vorteile wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen 232–236
- 1. Behördliche Freistellung
- 2. Legalausnahme
- 3. Règle de raison
- 236–249 II. Anwendung der Ausnahmen vom Kartellverbot auf den Erwerb strategischer Beteiligungen 236–249
- 1. Gruppenfreistellungen
- a) Gemeinschaftsrechtliche Freistellungsverordnungen
- b) Nationale Freistellungsverordnungen und Ausnahmen
- 2. Legalausnahme
- a) Maßgeblicher Zeitpunkt
- b) Voraussetzungen
- aa) Verbesserung der Erzeugung oder Verteilung oder Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts
- bb) Angemessene Beteiligung der Abnehmer
- cc) Erforderlichkeit der Wettbewerbsbeschränkungen
- dd) Keine Eröffnung von Möglichkeiten, für wesentliche Teile der Waren den Wettbewerb auszuschalten
- 3. Règle de raison
- 249–266 C. Rechtsfolgen eines Kartellverstoßes 249–266
- 249–253 I. Die von der Nichtigkeitsfolge betroffenen Sachverhalte 249–253
- 253–258 II. Anfängliche oder nachträgliche Nichtigkeit? 253–258
- 1. Problembeschreibung
- 2. Lösungsansätze der Literatur
- 3. Stellungnahme
- 4. Schlussfolgerung
- 258–266 III. Auswirkungen der Bündeltheorie 258–266
- 1. Problembeschreibung
- 2. Bisherige Lösungsansätze
- 3. Stellungnahme
- a) Abhängigkeit vom Beurteilungszeitpunkt
- b) Die Entscheidung Passmore v. Morland
- c) Bewertung der Entscheidung
- d) Gültigkeit für den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen
- 4. Ergebnis
- 267–272 Vierter Abschnitt: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen 267–272
- 267–268 Zum praktischen Vorkommen vertikaler strategischer Minderheitsbeteiligungen 267–268
- 268–269 Zu den wettbewerblichen Auswirkungen der Beteiligungen 268–269
- 269–270 Zum Vorliegen einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise und zum Zurechnungszusammenhang zwischen Vereinbarung und Wettbewerbsbeschränkung 269–270
- 270–272 Zu den Grenzen der Anwendbarkeit der Kartellverbote 270–272
- 273–282 Literatur 273–282