Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen
Eine Untersuchung zur Reichweite von Survival Clauses in BITs
Zusammenfassung
Bilaterale Investitionsschutzverträge (BITs) sind völkerrechtliche Verträge zum Schutz von Auslandsinvestoren und verfügen regelmäßig über sog. Fortgeltungsklauseln (auch survival bzw. sunset clauses), die den Investorenschutz in zeitlicher Hinsicht verfestigen, indem sie einseitige Kündigungen erst nach Abwarten einer 10-, 15- oder sogar 20-jährigen Frist wirksam werden lassen. Allerdings lassen Fortgeltungsklauseln offen, ob sie auch den Fall einvernehmlicher Kündigungen erfassen. Diese Frage ist Kern der Untersuchung und umfasst grundsätzliche Probleme des aktuellen Völkervertragsrechts: Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen der Freiheit der Vertragsstaaten und dem durch einen Vertrag geschaffenen Individualschutz? Kommt Investoren mittels der Fortgeltungsklauseln ein besonders gefestigter Individualschutz zu? Welche alternativen Wege stehen Vertragsstaaten eines BIT zur Verfügung, um einen BIT aufzuheben oder abzuändern?
Schlagworte
- Kapitel Ausklappen | EinklappenSeiten
- 1–16 Titelei/Inhaltsverzeichnis 1–16
- 17–29 Einleitung 17–29
- A. Untersuchungsinteresse
- I. Der Hintergrund von BIT-Kündigungen
- II. Ablauf von Festlaufzeiten
- III. Modernisierung
- IV. Regionalisierung
- B. Problemstellung
- I. BIT-Erneuerung als Normalität im Investitionsrecht
- II. Neuabschlüsse zum Zweck der Absenkung von Schutzstandards
- III. Eigene Investorenrechte
- IV. Investitionsrecht und allgemeines Völkerrecht
- C. Gang der Untersuchung
- 30–87 Kapitel 1 Anwendungsfälle für einvernehmliche Aufhebungen von BITs 30–87
- A. Modernisierung des Investitionsschutzes
- I. Frühere BIT-Erneuerungen
- II. Reformbedarf zugunsten staatlicher Regulierung
- 1. Regelungsziel: „Kluge“ Flexibilisierungsklauseln
- 2. Typologie der Flexibilisierungsklauseln
- a. Implizite und explizite Flexibilität
- b. Verschiedene Typen expliziter Flexibilisierungsklauseln
- III. Frühe Beispiele flexibler BITs
- 1. Nordamerikanische Musterverträge als Vorreiter der Flexibilisierung
- 2. Ausweitung der Flexibilisierung
- IV. Moderne Vertragsgestaltung am Beispiel des norwegischen Mustervertrags (2015)
- 1. Präambel
- 2. Einschränkung des personellen Anwendungsbereichs
- 3. Carve-outs als Einschränkungen des sachlichen Anwendungsbereichs, Art. 27 und 28
- 4. Diskriminierungsverbote, Art. 3 und 4
- 5. Keine Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes auf die Frage des Zugangs zu Investor-Staat-Schiedsgerichten
- 6. Minimum Treatment, Art. 5
- 7. Enteignungsbegriff, Art. 6
- 8. Right to regulate, Art. 12
- 9. Ausnahmeregeln, Art. 24-28
- 10. Vorsichtsmaßnahmen zum Schutze des Finanzsystems, Art. 25
- V. Zusammenfassung: Möglichkeiten und Realitäten innovativer BIT-Gestaltung
- B. Regionalisierung, insbesondere Europäisierung
- I. Europarecht und Investitionsschutz
- 1. Das Problem der Intra-EU-BITs
- a. Hintergrund
- b. Europarechtliche Verfahren
- c. Das Schiedsverfahren Eastern Sugar gegen Tschechien
- (1) Sachverhalt
- (2) Haltung der Tschechischen Republik
- (3) Haltung der EU-Kommission
- (4) Die Entscheidung des Schiedsgerichts
- (5) Zusammenfassung
- d. Das Schiedsverfahren Micula gegen Rumänien
- (1) Sachverhalt
- (2) Besonderheit: Klage auf Naturalrestitution
- (3) Zusammenfassung
- e. Das Schiedsverfahren Eureko gegen Slowakei
- (1) Sachverhalt
- (2) Inhalt des Schiedsspruchs
- (3) Zusammenfassung
- f. Zusammenfassung: Intra-EU-BITs als Anwendungsfall einvernehmlicher BIT-Aufhebungen
- 2. Europarechtswidrige Drittstaaten-BITs
- a. Hintergrund
- (1) Transferklauseln und Kapitalverkehrsfreiheit
- (2) Prä-europäische Verträge und EU-Beitritt
- b. Die Verfahren vor dem EuGH
- (1) Die Schlussanträge des Generalanwalts
- (2) Die Entscheidung des EuGH
- c. Zwischenergebnis
- d. Anerkennung gefestigter Investorenrechte durch den EuGH
- 3. Drittstaaten-BITs und der Vertrag von Lissabon
- a. Hintergrund
- b. Die Verordnung Nr. 1219/2012
- (1) Grundsätzliche Regelungen zu bestehenden Drittstaaten-BITs
- (2) Zusammenfassung
- 4. Zwischenergebnis
- II. Erste Schritte einer europäischen Investitionsschutzpolitik
- 1. Europäische Investitionspolitik vor dem Vertrag von Lissabon
- 2. Nach dem Vertrag von Lissabon: CETA
- III. TPP und Investitionsschutzabkommen
- C. Zusammenfassung
- 88–101 Kapitel 2 Schiedspraxis zur einvernehmlichen Aufhebung von BITs 88–101
- A. Walter Bau AG gegen Thailand
- I. Sachverhalt
- II. Entscheidungen des Schiedsgerichts
- III. Konsequenzen des Schiedsspruchs
- B. Jan de Nul gegen Ägypten
- I. Sachverhalt
- II. Entscheidungen des Schiedsgerichts
- III. Konsequenzen des Schiedsspruchs
- C. Eastern Sugar gegen Tschechien
- I. Hintergrund
- II. Sachverhalt
- III. Einwände der Tschechischen Republik und der Kommission gegen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts
- IV. Entscheidung des Schiedsgerichts
- V. Konsequenzen des Schiedsspruchs
- VI. Die Entwicklungen im Anschluss an den Schiedsspruch
- D. Zusammenfassung
- 102–188 Kapitel 3 Rechtliche Grundlagen für einvernehmliche Aufhebung von BITs 102–188
- A. Das Phänomen Fortgeltungsklausel
- I. Verbreitung von Fortgeltungsklauseln
- II. Erscheinungsformen
- 1. Der Ausnahmefall: Differenzierte Fortgeltungsklauseln
- 2. Der Regelfall: Undifferenzierte Fortgeltungsklauseln
- III. Wirkungsweise von Fortgeltungsklauseln
- B. Fortgeltungsklauseln und einvernehmliche Aufhebungen
- I. Ausgangspunkt: Der offene Wortlaut undifferenzierter Fortgeltungsklauseln
- II. Allgemeine Auslegungsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention
- III. Anwendbarkeit der Wiener Vertragsrechtskonvention auf BITs
- 1. Investoren als Inhaber von Rechten
- a. Die Ausgangslage: Völkergewohnheitsrechtlicher Fremdenschutz als rein zwischenstaatliches Phänomen
- b. Evolution des internationalen Investitionsrechts: Die Einführung des Investors als dem wesentlichen Verfahrensbeteiligten
- c. Investorenrechte als eigene Rechte von Investoren
- d. Systematische Parallelen zwischen Menschenrechtskonventionen und BITs als individualberechtigenden völkerrechtlichen Verträgen
- e. Zwischenergebnis
- 2. Eignung der Auslegungsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention für die Anwendung auf BITs
- a. Die Ausgangslage: Zwischenstaatlich wirkende Verträge als originärer Anwendungsfall der WVK
- b. Art. 31 WVK als kodifizierter Minimalkonsens
- c. Effet utile statt in dubio mitius
- d. Berücksichtigung externer Auslegungshilfen gemäß Art. 31 (3) WVK
- e. Zusammenfassung
- IV. Auslegung von Fortgeltungsklauseln nach Art. 31 WVK
- 1. Die gewöhnliche Bedeutung als Ausgangspunkt der Auslegung, Art. 31 (1) WVK
- a. „Termination“ als Oberbegriff für alle Beendigungstatbestände
- b. Zwischenergebnis
- 2. Systematische Auslegung nach Art. 31 (1) WVK
- a. Einheitliche Regelung der Rechtsfolgen aller Beendigungsfälle
- b. Selbstbindung der Heimatstaaten durch Investor-Staat-Schiedsklausel
- c. Zwischenergebnis
- 3. Ziel und Zweck: Teleologische Auslegung nach Art. 31 (1) WVK
- a. Ausgangspunkt: Fortgeltungsklausel als Verlängerung des Investorenschutzes
- b. Evolution der Präambeln
- c. Fortgeltungsklauseln und einvernehmliche Aufhebungen: Schutz des Investors vor seinem Heimatstaat
- d. Zwischenergebnis
- 4. Berücksichtigung des weiteren Zusammenhangs, Art. 31 (2) und (3) WVK
- a. Beschränkte Autorität nachträglicher Auslegungshilfen für BITs
- b. Spätere Übung der Vertragsstaaten: Ablöseklauseln
- c. Zwischenergebnis
- 5. Berücksichtigung von Vorbereitungsarbeiten (travaux préparatoires)
- 6. Zwischenergebnis
- V. Einvernehmliche Aufhebung als Lücke des BIT
- 1. Feststellung von Lücken im Völkerrecht
- 2. Regelung der einvernehmlichen Aufhebung als Lücke im BIT
- 3. Externe Lückenfüllung durch allgemeines Völkerrecht und die Wiener Vertragsrechtskonvention
- C. Fortgeltungsklauseln und allgemeines Völkervertragsrecht
- I. Ausgangspunkt: Freiheit einvernehmlicher Vertragsaufhebung, Art. 54 (b) WVK
- II. Völkerrechtliche Verträge zugunsten Dritter: Art. 37 (2) WVK
- 1. Anwendbarkeit von Art. 37 (2) auf BITs: Investoren als berechtigte „Dritte“
- a. Ausgangspunkt: Zusammenhang und Verhandlungsgeschichte des Art. 37 (2) WVK
- b. Das Meinungsspektrum zur Übertragbarkeit des Art. 37 (2) WVK
- (1) Für eine Übertragung auf nicht-staatliche Berechtigte
- (2) Gegen eine Übertragung auf nicht-staatliche Berechtigte
- 2. Stellungnahme zur Anwendbarkeit des Art. 37 (2) WVK
- a. Vertrag zugunsten dritter Individuen kein allgemeiner Völkerrechtsgrundsatz
- b. Übertragung des Zustimmungserfordernis des Art. 36 (2) WVKIO
- c. Zustimmung durch Verfahrenseinleitung
- d. Beweislastverteilung des Art. 37 (2) WVK
- 3. Zwischenergebnis
- III. Nichtrückwirkung völkerrechtlicher Verträge: Art. 70 (1) (b) WVK
- IV. Allgemeine völkerrechtliche Rechtsgrundsätze
- 1. Gefestigte Rechte unter Investitionsschutzverträgen
- a. Schutz gefestigter Rechte als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Völkerrechts
- b. Zeitpunkt der Festigung von Investorenrechten
- 2. Legitime Erwartungen unter Investitionsschutzverträgen
- a. Herleitung des Schutzes legitimer Erwartungen im Investitionsrecht
- b. Zeitpunkt der Entstehung schützenswerten Vertrauens
- 3. Allgemeines völkerrechtliches Rückwirkungsverbot
- a. Rückwirkungsarten im Völkerrecht
- b. Übertragung auf Investorenrechte
- 4. Rechtsmissbrauch (estoppel)
- 5. Investitionsrechtseigene Hindernisse: Multilateralisierung und Investitionsgewohnheitsrecht
- a. Multilateralisierung des Investitionsrechts
- b. Entstehung eines Investitionsschutzgewohnheitsrechts
- V. Verselbständigung des völkerrechtlichen Individualschutzes
- VI. Zusammenfassung
- D. Zusammenfassung
- 189–219 Kapitel 4 Alternative Wege zur Ablösung von Investitionsschutzabkommen 189–219
- A. Neuverhandlungen als Umgehungsmöglichkeit
- I. Nebeneinander von Aufhebung und Änderung im Völkervertragsrecht
- II. Grenze der Vertragsänderung: Absenkung substantieller Schutzstandards
- III. Das Problem des Vertrauensschutzes
- IV. Das Problem der Meistbegünstigungsklauseln
- V. Schiedspraxis zur Neuverhandlung
- VI. Zwischenergebnis
- B. Außerordentliche Kündigungsrechte in Notsituationen
- I. Grundsätzliche Anwendbarkeit des Art. 62 WVK auf BITs
- II. Ausnahmecharakter der Norm
- III. Anwendbarkeit auf moderne BITs mit eigenen Notfallklauseln
- IV. Zwischenergebnis
- C. Rechtfertigungsgründe aus dem Recht der Staatenverantwortlichkeit
- I. Das Recht der Staatenverantwortlichkeit und seine möglichen Auswirkungen auf investitionsrechtliche Pflichten
- II. Ausgangssituation der Argentinienverfahren
- III. Die Schiedssprüche
- IV. Zwischenergebnis
- D. Zusammenfassung: Möglichkeiten und Grenzen nachträglicher Eingriffe in BITs
- 220–226 Resümee 220–226
- 227–234 Literaturverzeichnis 227–234
- 235–237 Entscheidungsverzeichnis 235–237