Zusammenfassung
Die Studie erweitert das bisherige Verständnis des Sturm und Drang, indem sie erstmals vor Augen führt, welch große Bedeutung Aspekte kultureller Differenz für die Dramenliteratur dieser Strömung besitzen. Im Rekurs auf Elemente postkolonialer Theoriebildung wird gezeigt, wie sich Goethe, Lenz, Klinger und Schiller in die Alteritätsdiskurse des ausgehenden 18. Jahrhunderts einschrieben: Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei 1. der Debatte um die europäischen ,Nationalcharaktere‘, 2. der Diskussion um die religiös und/oder ethnisch definierten Minderheiten der Juden und ,Zigeuner‘ sowie 3. der Beschäftigung mit dem ,exotischen‘ Fremden im Kontext des ,zweiten Entdeckungszeitalters‘. Indes bekräftigen die untersuchten Dramen das völkerkundlich-anthropologische ,Wissen‘ der Aufklärung nur partiell; nicht selten dekonstruieren sie verbreitete Stereotype mittels komplexer literarischer Verfahren.