Zusammenfassung
Gefragt, wie Sentimentalität zu definieren sei, ließe sich antworten: als Unfähigkeit zu vergessen. Das retrograde Bewusstsein stellt die Signatur der Sentimentalität dar. Seltsam genug, dass einschlägige Bestimmungen des Begriffs diesen zentralen Zusammenhang nicht nur nicht fokussieren, sondern gleich ganz übersehen oder übergehen. Der eigentliche Skandal aber, der ein verklemmtes intellektuelles Versagen ans Licht bringt, ist die voreingenommene Verunglimpfung eines Phänotyps der Moderne. Zu entlarven bleibt die Diffamierung der Sentimentalität als neurotische Abwehr von Angst und Terror, die das Phänomen analytisch armselig und tatsächlich leer zu einem hässlichen Popanz der Moderne aufpumpen konnten. Wie sehr Sentimentalität selbst als Chiffre eine Identifikation der Moderne auf allen ›[para-]literarischen‹ Stufen des Schreibens ist, scheint immer noch eine neue Entdeckung zu sein.
Inhaltsverzeichnis
1. Proust, Joyce, Musil. Oder die ›große sentimentale Konspiration‹
2. Kryptogrammatik der Sentimentalität. Zu Schillers Begriff des Sentimentalen und Goethes Werther
3. Baudelaires Phantome
Literatur
Reihe
Moderne-Studien - Band 10
Schlagworte
Baudelaire Gefühle Joyce Musil Phantome Proust Romantik Second Empire Sentimentalität- 160–175 Literatur 160–175