Ärzte mit der Zunge
Leckende Hunde in der europäischen Literatur. Von der patristischen Exegese des Lazarus-Gleichnisses (Lk. 16) bis zum "Romanzero" Heinrich Heines
Zusammenfassung
Hundezungen heilen Wunden: Nicht zuletzt aufgrund dieser medizinischen Funktion war die Zunge der Hunde in der älteren Literatur oft Metapher für die Sprache der Menschen. Vor allem die Hunde, die nach dem Evangelium die Wunden des armen Lazarus leckten, konnten auf das tröstende (,heilende‘) Sprechen von Predigern und Beichtvätern bezogen werden. Ein Gegenbild dazu ließ sich im Bellen und Beißen finden, wenn es um Tadel und Mahnung (etwa Ketzern gegenüber) ging. Sah man von der Heilwirkung des Hundeleckens ab, dann wurde meist die ,hündische‘ Schmeichelei kritisiert: eine der traditionellen ,Sünden der Zunge‘. Mit dieser Bedeutungsambivalenz der Hundezunge problematisiert ein spätes Gedicht Heines (,Jehuda ben Halevy‘) die Leistungen der (modernen) Poesie.
Schumachers durch Literaturbeispiele und Bildzeugnisse reich dokumentierter Essay präsentiert ein etwas abgelegenes, doch höchst reizvolles Motiv aus der Metaphorik der ,Mündlichkeit‘. Zugleich leistet er einen kleinen komparatistischen Beitrag zur Anthropologie der Tiere in der europäischen Literatur.
Inhaltsverzeichnis
I. Das Naturwissen von der Heilwirkung des Hundeleckens
II. Die Hundezunge als Metapher des menschlichen Sprechens
III. Die Hunde des Lazarus und die Prediger
IV. Lecken und/oder Bellen und Beißen
V. Kritik an schlechten Priestern
VI. Schmeichelndes Lecken heilt nicht
VII. Die Wunde des Dichters und der leckende Hund
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