Zusammenfassung
Selbsttäuschung ist allen wohlvertraut und doch schwer zu verstehen. Sie präsentiert sich als paradoxer, widersprüchlicher Sachverhalt. Wie sie möglich wird, wie jemand sich selbst täuschen und betrügen kann, ist eine offene Frage und man mag darüber streiten, inwieweit es überhaupt Fälle wirklicher Selbsttäuschung gibt. Verhaltensweisen, die mit Selbstverhüllung, Unaufrichtigkeit und Erkenntnisverweigerung zu tun haben, besitzen einen unstrittigen Stellenwert im menschlichen Leben. Sie können für den Einzelnen undurchschaut und unvermeidlich sein, sie können sich im individuellen wie im sozialen Leben als nützlich, für die eigene Lebensführung als sinnvoll erweisen, sogar menschenfreundlich sein. Doch ebenso können Selbsttäuschungen mit Leiden und Selbstbehinderungen einhergehen, für das eigene Handeln hinderlich, seelisch belastend, moralisch problematisch sein. Literarische Figuren (Homo faber, Alexej Karenin) verkörpern Selbsttäuschung in klassischer Weise. Der vorliegende Band behandelt die Frage der Selbsttäuschung im Gespräch zweier Disziplinen, die in besonderer Weise mit ihr befasst sind. In Philosophie und Psychoanalyse sind profilierte Auseinandersetzungen um den Begriff und das Phänomen der Selbsttäuschung geführt worden. Sie ist Gegenstand der Erkenntnis- und der Handlungstheorie, der Rationalitätstheorie und Existenzphilosophie, der Theorie und Praxis der Psychoanalyse.
Die Beiträge des Bandes erörtern Fragen nach den Ursachen und Motiven, Formen und Zwecken der Selbsttäuschung, nach ihrem Stellenwert im menschlichen Leben, nach den Möglichkeiten und Grenzen ihrer Aufhebung und nach ihrem Niederschlag im Bild des Menschen.
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- 7–12 Einleitung 7–12