Zusammenfassung
Dieses Buch bietet ein zunächst liederlich erscheinendes Geflecht aus bunten Fäden, vielen kleinen Stücken aus dem Alltag und aus der Literatur – von Heraklit bis Pooh der Bär, von Derrida bis Friederike Mayröcker, von Goffman bis Luhmann –, die sich aber zu einem eigentümlichen Webmuster zusammenfügen: zu der Figur des notwendig versäumten Augenblicks, notwendig, weil ein Noch Nicht unvermittelt, aber unvermeidlich in ein Nicht Mehr umschlägt, ohne ein erlösendes »Jetzt aber!« dazwischen.
»Occasio, die Göttin der Gelegenheit, hat in mittelalterlichen Beschreibungen ›einen nach vorne fallenden Haarschopf, an dem man sie zu ergreifen hat; wer diesen Augenblick verpasst, hat keine zweite Chance, denn von hinten ist die Dame kahl‹. Die Dame war bei den alten Griechen ein Herr: kairós, und auch der war bereits hinten kahl. In seiner rechten Hand hielt er ein Messer, wie in ›auf des Messers Schneide‹. Der karge Haarwuchs am Hinterkopf des kairós und der Occasio, das ist die kahle Stelle zwischen Noch Nicht und Nicht Mehr.«
Was haben Christian Morgensterns zaudernde Hausschnecke und Heinz Erhards scheuer Kuckuck, König Midas und König Ödipus, Romeo und Julia, Gerhard Schröder und Angela Merkel, Kafkas Mann vor dem Gesetz und die Fallensteller in Wirtschaft mit Forschern gemeinsam, die ihren Gegenstand im Zustand der Unberührtheit berühren möchten?
Sie sind, wie wir alle, teils Virtuosen, teils Opfer des versäumten Augenblicks, einer notwendigen Vergeblichkeit, des unerwarteten, verstörenden Ausbleibens eines »Jetzt!« zwischen Noch Nicht und Nicht Mehr. Kommentierend, zuordnend, poetisierend, zuspitzend und überaus vergnüglich führt Günther Ortmann es uns vor.
- Kapitel Ausklappen | EinklappenSeiten
- 71–100 V. Zeit, Leben & Tod 71–100
- 101–112 VI. 1945. 1968. 1989 101–112
- 113–128 VII. Wissen als Déjà-vu 113–128
- 213–214 Alles noch. Immer wieder 213–214
- 215–229 Zur Nachlese 215–229
- 230–232 Bildnachweise 230–232