Die Sozialität des Visuellen
Fundierung der hermeneutischen Videoanalyse und materiale Untersuchungen
Zusammenfassung
Es geht in diesem Buch um die Emanzipation der Gebärden vom Logozentrismus der Sprache. Intersubjektiv geteilte Deutungsmuster werden nicht primär in der direkten face-to-face-Kommunikation erworben und aufrechterhalten, sondern über den leiblichen Funktionszusammenhang in die gewohnheitsmäßige Motorik und Wahrnehmung eingeschrieben. Die Aktintentionalität von Alfred Schütz wird zu einer fungierenden Intentionalität weiterentwickelt. Letztere entfaltet ihre Wirkung nicht über den Bewusstseinsakt eines aktiven Ichs, sondern über die Passivität des Leibes. Es wird auf diese Weise eine phänomenologische Praxistheorie entworfen, in der Gesten und Mimik als eigenständige Handlungen intersubjektiv zugänglich sind.
Die Autorin hat einen theoretischen und methodologischen Ansatz für die hermeneutische Videoanalyse entwickelt, der mit dem Konzept der »Zwischenleiblichkeit« von Maurice Merleau-Ponty arbeitet. Es stellt die konstitutionsanalytische Voraussetzung dar, um Sozialität sowohl zwischen Objekten als auch zwischen Körpern begrifflich zu fassen. Mit Bezug auf die »Zwischenleiblichkeit« wird eine Form von Intentionalität entwickelt, die nicht primär auf den Bewusstseinsvorgängen eines einzelnen Subjekts beruht. Diese so genannte »fungierende Intentionalität« ermöglicht subjektübergreifendes Sinnerschließen und gewährleistet, dass Gesten und Mimik auf einer vorbewussten Ebene intersubjektiv zugänglich sind, ohne dass in der Situation Sprache verwendet werden muss. Visuelle Verhaltensäußerungen werden aus dem Logozentrismus von Sprache gelöst und als eigenständige Handlungen anerkannt. Es wird gezeigt, dass es objektive Gesten und Mimik gibt. Sie zeichnen sich durch einen objektiven Sinngehalt aus, der für eine spezifische Gemeinschaft oder Kultur charakteristisch und auf einer vorreflexiven Ebene zugänglich ist. Aus einer theoretischen und methodologischen Perspektive werden die Merkmale einer so genannten »bipolaren« phänomenologischen Praxistheorie herausgearbeitet. Außerdem wird aus einer methodischen Perspektive präsentiert, wie und wo objektive Gesten und Mimik in der hermeneutischen Videoanalyse von Interaktionen zu finden sind.
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- 7–12 1. Einleitung 7–12
- 200–207 7. Zusammenfassung 200–207
- 208–208 Danksagung 208–208
- 209–209 Transkriptionsregeln 209–209
- 210–226 Literatur 210–226