Zusammenfassung
Jochen Kade präsentiert die Ergebnisse eines qualitativen erziehungswissenschaftlichen Langzeitprojekts. In diesem wurden in den Jahren 1984 und 2009 insgesamt 50 biographisch fokussierte ›Zwillings‹interviews mit jeweils einer Person geführt und daraus empirische Gestalten der Selbstbildung im Theorierahmen von (Anspruchs-)Individualität (Luhmann) und Solidarität (Hondrich) entwickelt. Emanzipation, Karriere und soziales Engagement erweisen sich als Pole der individuellen Aneignung des gesellschaftlichen Curriculums möglicher Bildungswelten.
Die Studie erschließt einen zeitgeschichtlichen, generationen- und altersübergreifenden Wandel nicht nur von Individualitätsformen, sondern der Individualitätsform selbst. Es zeigen sich deutlichere Konturen eines Übergangs von einer selbstzentrierten zu einer sozialgeöffneten Individualisierung, verbunden mit einer Wiederthematisierung von Unbedingtheit und Schicksal, einer wesentlichen Herausforderung für die Bildungstheorie. Einer empirisch interessierten Bildung- und Biographieforschung, die Einzelschicksale fokussiert, aber zugleich auf gesellschaftliche Zusammenhänge zielt, werden damit theoretisch und zeitdiagnostisch produktive empirische Perspektiven erschlossen. Es wird u.a. die – Reckwitz‘ Diagnose einer »Gesellschaft der Singularitäten« modifizierende – These vertreten, dass die Freiheit der Selbstbildung zwischen 1984 und 2009 im Spannungsfeld von Individualität, Solidarität und Schicksal verläuft.
Schlagworte
Bildungssoziologie biographisierung Hondrich Selbstbildung Zeitdiagnose Luhmann Reckwitz- 294–295 Danksagung 294–295
- 296–309 Literaturverzeichnis 296–309
- 310–312 Abbildungsverzeichnis 310–312