"Ein Kind des Verkehrs"?
Über die allmähliche Verfertigung des Rechts am Beispiel der Sicherungsübereignung um 1900
Zusammenfassung
„Die Sicherungsübereignung steht nicht im Gesetz, ist aber zulässig“ - mit dieser im Lehrbetrieb üblichen Darstellung scheint alles gesagt. Gleichwohl haben sich die Methodenlehren in allen politischen Umbruchsituationen auf die Sicherungsübereignung als Beispiel für eine außergesetzliche Rechtserzeugung bezogen. War es in der Weimarer Epoche die wirtschaftliche Not, welche die Zeitgenossen hadern ließ, so war es bei den Nationalsozialisten die „Heimlichkeit“ - eng verbunden mit der Kritik an den BGB-Verfassern, die eine Gesetzgebungstechnik entwickelt hatten, die mit der Idee eines „Führerwillens“ schlicht unvereinbar war. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg erörterten so verschiedene Autoren wie Franz Wieacker, Karl Larenz, Claus-Wilhelm Canaris oder Bernd Rüthers das Verhältnis von Rechtsfortbildung und Gesetzesrecht am Beispiel der Sicherungsübereignung. So führten mit Inkrafttreten des BGB im Jahr 1900 Zweifel an der Legitimität der Sicherungsübereignung in eine Methodendiskussion, die für das Selbstverständnis der Zivilrechtswissenschaft bis heute grundlegend geblieben ist.
Abstract
"Transfer of ownership by way of security is not in the law, but is permissible" - this is a common statement in teaching. Nonetheless, in all political upheavals, methodological theories have referred to the transfer of ownership by way of security as an example of an extra-legal creation of rights. While in the Weimar era it was economic hardship that caused contemporaries to quarrel, with the National Socialists it was "secrecy" - closely linked to criticism of the BGB drafters, who had developed a legislative technique that was simply incompatible with the idea of a "Führer will". Even after the Second World War, various authors such as Franz Wieacker, Karl Larenz, Claus-Wilhelm Canaris and Bernd Rüthers discussed the relationship between legal development and statutory law using the example of chattel mortgages. When the German Civil Code came into force in 1900, doubts about the legitimacy of chattel mortgages led to a discussion of methods that has remained fundamental to the self-understanding of civil law scholarship to this day.
Schlagworte
außergesetzliche Rechtserzeugung civil law extra-legal legal creation Bürgerliches Recht legal development Legitimität legal history Methodendiskussion legitimacy Nationalsozialismus Privatrecht method discussion Rechtsfortbildung National Socialism private law Rechtsgeschichte Sachenrecht property law Sicherungseigentum security ownership Sicherungsübereignung security transfer Weimarer Republik Weimar Republic- 237–318 3. Teil: Auswertung 237–318