Mythos und Identität
Zur Bedeutung des Vardan-Mythos für das Selbstverständnis armenischer Gemeinschaften
Zusammenfassung
Die Erzählung über den armenischen Heerführer Vardan, der im Kampf für die Glaubensfreiheit der christlichen Armenier gegen die persische Herrschaft im 5. Jahrhundert n. Chr. gefallen ist, ist als Narrativ des Widerstandes und eines moralischen Sieges in die armenische Geschichte eingegangen. Im Zentrum der vorliegenden Studie steht die Frage nach der Kontinuität der Deutungsmacht dieses Mythos und nach seiner heutigen Verankerung im ›kollektiven Gedächtnis‹ der Armenier. Die Autorin nimmt die unterschiedlichen Bedingungen für die Interpretation des Mythos in der Armenischen Republik und in der Diaspora in den Blick. Ausgangspunkt der Forschung ist das von der armenischen Kirche in den Gemeinden der Diaspora und in der Republik Armenien alljährlich gefeierte Vardan-Fest. Die unterschiedlichen Formen der Gestaltung dieses Festes werden mit Erhebungs- und Auswertungsmethoden der qualitativen Sozialforschung untersucht. Anhand der unterschiedlichen Funktionen, die die Figur Vardan in den verschiedenen Epochen der armenischen Geschichte erfüllt, wird der Schwellencharakter dieser Figur herausgearbeitet: Vardan wird in manchen Zusammenhängen als religiös, in anderen als weltlich betrachtet, und kann dabei keinem der Bereiche endgültig zugeordnet werden. Diskutiert werden die Dynamiken der Rituale und der kollektiven Symbolik. Dabei bietet die Studie kenntnisreiche Einblicke in geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge und Beziehungen sowie in die verschiedenen regionalen, sprachlichen Kontexte.