Digitalisierung und Strafverfahren
Zusammenfassung
Der Band widmet sich den verschiedenen Einflüssen der fortschreitenden Digitalisierung auf das Strafverfahren. Er enthält die verschriftlichten Vorträge, die im Rahmen der Tagung „Digitalisierung und Strafverfahren“ an der Universität Leipzig gehalten wurden. ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis diskutierten Chancen und Herausforderungen der neuen technischen Möglichkeiten: erste Erfahrungen mit der elektronischen Akte, die Nutzung elektronischer Beweismittel oder die technische Aufzeichnung von Vernehmungen und Hauptverhandlungen. In den Blick genommen wird auch die umstrittene E-Evidence-Verordnung und ihre Folgen für Ermittlungsverfahren in Deutschland. Datenbanken können RichterInnen künftig helfen, für ihre Strafzumessung auf Entscheidungen und Erwägungen anderer Gerichte zuzugreifen. Und auch im Strafvollzug hält die Digitalisierung Einzug und wirft die Frage auf, ob Gefangenen die Nutzung von Tablets oder Mobiltelefonen gestattet sein soll. Mit Beiträgen von Jun.-Prof. Dr. Dominik Brodowski, Eleni Chaitidou, Prof. Dr. Robert Esser, Wolfgang Gründler, Patricia Hamel, Prof. Dr. Elisa Hoven, Prof. Dr. Matthias Jahn, Prof. Dr. Hans Kudlich, Christian Reschke, Prof. Dr. Dr. Frauke Rostalski, Dr. Christian Rückert, Oliver Sabel, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Streng, Dr. Tatiana Suschina, Stephan Thomae, Dr. Margarete Gräfin von Galen, Prof. Dr. Thomas Weigend
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- 1–6 Titelei/Inhaltsverzeichnis 1–6
- 7–8 Einführung 7–8
- 9–38 Herausforderungen der Digitalisierung für das Strafverfahren 9–38
- I. Neue und alte Fragestellungen des Strafverfahrensrechts im Lichte der Digitalisierung
- II. Der Ausgangspunkt: Materielle Wahrheit vs. Datenschutz
- III. Tatsächliche und normative Herausforderungen
- 1. Zunehmende Menge und Qualität an Daten für Ermittlungsverfahren
- a) Steigerung der Intensität von Ermittlungsmaßnahmen
- b) Zufallsfunde und Legalitätsprinzip
- 2. Herausforderungen durch die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung
- a) Materielles Strafrecht: Neue Kriminalitätsformen
- b) Strafprozessrecht: Neue Ermittlungsmethoden
- 3. Grenzenlosigkeit des Internets und Flüchtigkeit von Datenbeständen
- a) Flüchtigkeit und Beweglichkeit von Datensätzen
- b) Lokalisierung der Datensätze im Ausland
- c) Internationalisierung der Strafverfolgung
- d) Vereinheitlichung des europäischen Datenschutzrechts
- 4. Die Automatisierung der Datenverarbeitung im Strafverfahren
- a) Anforderungen an Funktionsweise und Transparenz
- b) Akteneinsichtsrecht vs. Geheimhaltungsinteressen
- c) Überschätzung der Möglichkeiten
- d) Automatisierte(r) Tatverdacht/Schuldfeststellung?
- 5. Anonymität im Internet
- 6. Verschlüsselung von Datenbeständen und Kommunikationsverbindungen
- 7. Verbesserung der Kompetenz und Qualifikation im Umgang mit der Digitalisierung
- IV. Schlussbetrachtungen
- 39–48 Die elektronische Akte 39–48
- 49–66 Audio-visuelle Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen 49–66
- I. Das Problem
- II. Änderungen zum 1.1.2020
- III. Auslegungsfragen
- 1. Begriff der Vernehmung
- 2. Verpflichtung zur Aufzeichnung
- a) Tötungsdelikte
- b) Verletzliche Beschuldigte
- IV. Beweisrechtliche Fragen
- 1. Verwertung der Aufzeichnung als Beweismittel
- 2. Einfluss auf die Beweislast in Bezug auf Verfahrensverstöße?
- 3. Beweisverwertungsverbot bei Verletzung von § 136 Abs. 4 StPO?
- V. Rechtspolitische Fragen
- 1. Probleme bei der praktischen Anwendung?
- 2. Ist die Regelung zu eng?
- VI. Schlussbemerkung
- 67–102 Digitale Beweismittel im deutschen Strafprozess – Ermittlungsverfahren, Hauptverhandlung und Revision 67–102
- A. Bilder
- B. Die Bedeutung digitaler Spuren und digitaler Beweismittel für das Strafverfahren
- C. Die Erhebung digitaler Spuren im Ermittlungsverfahren
- I. Differenzierungen
- II. Zugriff auf Daten, Datenträger und Datenspeicher
- 1. Ersuchen um freiwillige Auskunft; §§ 161, 163 StPO
- 2. Sicherstellung und Beschlagnahme (§§ 94 ff. StPO)
- a) Beschlagnahme von Telekommunikationsdaten
- b) Isolation des Beweismittels
- c) Überwindung von Verschlüsselungstechnologien
- d) Zugriff auf entfernte Speichermedien (§ 110 Abs. 3 StPO) / „Live-Analyse“
- e) Auswertung großer Datenmengen („big data“)
- 3. Herausgabepflicht (§ 95 StPO)
- 4. Online-Durchsuchung (§ 100b StPO)
- D. Digitale Beweise in der strafprozessualen Hauptverhandlung
- I. Erhebung digitaler Beweise
- 1. Inaugenscheinnahme
- 2. Urkundsbeweis
- 3. Zeugenbeweis
- 4. Sachverständigenbeweis
- II. Statthaftigkeit und Würdigung digitaler Beweise
- 1. Die Statthaftigkeit von digitalen Beweisen im Strafverfahren
- a) Grundsatz
- b) Ausnahme: Reichweite der Aufklärungspflicht
- c) Ausnahme: Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote
- 2. Die Würdigung von digitalen Beweisen im Strafverfahren
- III. Die Darstellung in den Urteilsgründen
- 1. Grundlagen und Grundsatz des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO
- 2. Die Ausnahmevorschrift des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO
- 3. Konsequenzen des veralteten deutschen Rechts für die Praxis
- E. Digitale Beweise in der Revision
- I. Die „revisionsrechtliche Sperre“ bei der Sachrüge
- II. Die Verfahrensrüge und das Rekonstruktionsverbot
- 1. Grundlagen und Bedeutung des Rekonstruktionsverbots in der Ordnung des Revisionsverfahrens
- 2. Fallgruppen der „digitalen Verfahrensrüge“ ohne Verstoß gegen das Rekonstruktionsverbot
- 3. Anforderungen die Ausführung „digitaler Verfahrensrügen“ nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
- 103–126 Schnellerer grenzüberschreitender Zugriff auf elektronische Beweismittel: die E-evidence Vorschläge der Europäischen Kommission 103–126
- I. Moderne Technik – ein Segen mit Hindernissen
- II. Die Besonderheit elektronischer Beweismittel
- III. Derzeitige Rechtsinstrumente nicht ausreichend
- IV. Die Vorschläge der Kommission
- 1.) Der Vorschlag für eine Richtlinie zur Bestellung von Vertretern
- 2.) Der Vorschlag für eine Verordnung über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen
- a.) Die wesentliche Neuerung des Vorschlags
- b.) Rechtsgrundlage
- c.) Voraussetzungen für den Erlass einer Anordnung im Einzelnen
- aa.) Anwendungsbereich
- bb.) Datenkategorien
- cc.) Konkrete Erlassvoraussetzungen und anordnende Behörde
- d.) Pflichten und Rechte des Dienstanbieters
- e.) Rechte des Betroffenen
- V. Wesentliche Neuerung im Rat: in bestimmten Fällen Notifizierung
- VI. Die nächsten Schritte
- 127–138 Kritische Anmerkungen zur E-Evidence-Verordnung 127–138
- 1. Mangelnde Rechtssicherheit – unklare Voraussetzungen für den Erlass einer Europäischen Herausgabeanordnung
- a) Ähnliche Maßnahme zur Strafverfolgung nach deutschem Recht
- b) Ähnliche Maßnahme zur Strafvollstreckung
- c) Zusammenfassung
- 2. Unzureichender Schutz von Daten, die durch berufsspezifische Verschwiegenheitspflichten geschützt sind
- a) Schutz bei Transaktionsdaten
- aa) Die Regelung
- bb) Kritik
- b) Schutz bei Inhaltsdaten
- aa) Die Regelung
- bb) Kritik
- 3. Doppelbestrafung des Adressaten, der die Vollstreckung verweigert
- a) Sanktionen nach den Art. 13 und 14 VO
- b) Kritik
- 4. Unzureichende Rechtsmittel
- a) Die Regelungen in der Verordnung
- b) Kritik
- 5. Fazit
- 139–144 Die E-Evidence-Verordnung 139–144
- I. Einleitung
- II. Exkurs: Die Europäische Ermittlungsanordnung
- III. Facebook & Co. im Fadenkreuz von E-Evidence
- IV. Der CLOUD Act als Blaupause
- V. Ein kritischer Blick
- VI. Fazit
- 145–150 Probleme der Digitalisierung im russischen Strafverfahren 145–150
- 151–162 Technische Aufzeichnung der Hauptverhandlung: Stand der Diskussion und rechtspolitische Überlegungen zur Einführung einer audiovisuellen Dokumentation strafgerichtlicher Hauptverhandlungen 151–162
- I. Einleitung
- II. Hauptteil
- III. Schluss
- 163–178 Audiovisuelle Dokumentation der tatrichterlichen Hauptverhandlung im Strafrecht und ihre Folgen für die Revision 163–178
- I. Hinführung
- II. Realbereich
- III. Auswirkungen einer audiovisuellen Aufzeichnung auf die Tatsacheninstanz
- 1. Chancen
- 2. Probleme
- IV. Chancen und Risiken für die Revision
- 1. Einordnung
- 2. Sachrügen
- 3. Verfahrensrügen
- a) Äußerer Ablauf des Verfahrens
- b) Ausfall der Dokumentation
- c) Aussageinhalte
- 4. Änderungen des Grundverständnisses?
- a) Änderungsbedarf?
- b) Unbewusste Verschiebungen?
- V. Fazit
- 179–204 Die technische Aufzeichnung der Hauptverhandlung. Ein Erfahrungsbericht vom Internationalen Strafgerichtshof 179–204
- I. DAS WORTPROTOKOLL
- 1. Inhalt des Wortprotokolls
- 2. Herstellung des Wortprotokolls
- a) Echtzeit-Protokoll
- b) Editierte Fassung des Wortprotokolls
- c) Verschiedene Versionen des Wortprotokolls
- 3. Ressourcen
- 4. Verwendung der Wortprotokolle
- II. BILD- UND TONAUFZEICHNUNG DER VERHANDLUNG
- 1. Audio-visuelle Aufzeichnung der Verhandlung
- 2. Übertragung der audio-visuellen Aufzeichnung aus dem Gerichtssaal
- 3. Beschränkung der Übertragung der audio-visuellen Aufzeichnung
- 4. Verwendung der audio-visuellen Aufzeichnung
- III. Öffentlichkeitsarbeit
- IV. Abschließenden Bemerkungen
- 205–216 Digitalisierung und Strafzumessung 205–216
- I. Einleitung
- II. Konsensförderung durch vergleichendes Vorgehen
- III. „Mathematisierung“ der Strafzumessung?
- IV. Richtlinien für die Strafzumessung ‒ Sentencing Guidelines?
- V. Einführung eines Strafzumessungs-Informationssystems
- VI. Daten für die Strafzumessungs-Revision und für den Gesetzgeber
- 217–246 Digitalisierung und Strafvollzug 217–246
- I. Einleitung
- II. Einführung der elektronischen Aktenführung im Vollzug
- III. Zugang von Strafgefangenen zum Internet
- 1. Menschenrechtliche Anknüpfung der Thematik
- a) EGMR, Kalda v. Estland
- b) EGMR, Jankovskis v. Litauen
- c) EGMR, Mehmet Reşit Arslan u. Orhan Bingöl v. Türkei
- 2. Umsetzung der internationalen Vorgaben auf nationaler Ebene
- a) Gerichtliches Kontrollverfahren
- b) Zur Notwendigkeit einer hinreichend spezifischen gesetzlichen Grundlage
- c) Suche nach einer gesetzlichen Grundlage im derzeitigen „analogen“ System
- d) Zulassung anderer Formen der Telekommunikation
- e) Flucht in die Vollzugs-Generalklausel?
- f) Zum Kernproblem: Sicherheitsinteressen der Anstalt als Ablehnungsgrund
- IV. Internetzugang im Jugendstrafrecht – ein Vorreitermodell?
- V. Internet-Projekte im deutschen Strafvollzug
- 1. Internetcafé für Häftlinge (JVA Bremen)
- 2. Internet-Terminal mit Tablet (JVA Heidering/Berlin)
- 3. Haftraum-Multimediasystem (JVA Waldheim)
- 4. Erlaubnis von Internet- bzw. Videotelefonie/Skype (JVA Neumünster, Lübeck, Hohenleuben)
- 5. Crimeic – Online-Begleitung im Strafvollzug (JVA Wolfenbüttel)
- VI. E-Learning-Projekte im Strafvollzug
- 1. ELIS
- 2. E-Learning-Angebote im Strafvollzug anderer Länder
- a) Belgien
- b) Norwegen
- c) Schweden
- VII. Blick zum direkten Nachbarn: Projekte zur Digitalisierung im Strafvollzug in der Schweiz
- 1. „SmartPrison“
- 2. Projekt „eHealth“
- 3. „Videokonferenz“ der Bewährungs- und Vollzugsdienste (BVD) (Kanton Zürich)
- 4. „Harmonisierung der Informatik in der Strafjustiz (HIS)“
- VIII. Fazit
- 247–258 Vorstellung eines laufenden Forschungsprojekts zur Nutzung von digitalen Endgeräten durch Gefangene im Berliner Justizvollzug. „Resozialisierung durch Digitalisierung“ 247–258
- 1. Einleitung
- 2. Strafvollzugsrecht und Zugang zu digitalen Medien
- 3. Erste Machbarkeitsstudie
- 4. Entwicklung von Projektzielen
- 5. Format für ein Nachfolgeprojekt
- 6. Auswahl von Hard- und Software
- 6.1. Hardware
- 6.2. Software
- 7. Digitale Informationen
- 7.1. Internetseiten
- 7.2. Anstaltsinformationsportal
- 8. Ausgabe der Computer-Tablets
- 9. Auswertung des Feldversuchs
- 9.1. Technik/Dienste
- 9.1.1. Computer-Tablet versus Computer-Kiosk
- 9.1.2. Aktualität von Informationen
- 9.1.3. Erweiterung der Internetangebote
- 9.1.4. Erweiterung von Application-Software (Apps)
- 9.2. Support
- 9.3. Bildung
- 9.4. Entlassung
- 9.5. Haftalltag
- 10. Fazit und Ausblick
- 259–262 „Tablets in der Zelle“ 259–262
- 263–276 Iudex ex machina? Zum Einsatz neuer Technologien in der Rechtsfindung 263–276
- I. Einleitung
- II. Funktionsweise des iudex ex machina
- 1. Effizienz- und Gerechtigkeitsgewinne durch die Arbeit eines iudex ex machina
- 2. „Positivismuseinwand 2.0“
- 3. Fehlende Transparenz der Entscheidung des iudex ex machina als schwerwiegendes rechtsstaatliches Defizit
- III. Der iudex ex machina als Kombination aus deduktivem und induktivem Verfahren: Die Lösung?
- IV. Gleichwohl verbleibende Bedenken gegenüber dem uneingeschränkten Einsatz eines iudex ex machina
- 277–277 Verfasser 277–277