Die Erklärbarkeit von Erfahrung
Realismus und Subjektivität in Spinozas Theorie des menschlichen Geistes
Zusammenfassung
Hinter Spinozas Ethik steht eine ebenso simple wie programmatische Überzeugung: Subjektive Erfahrung ist erklärbar, und ihre gelungene Erklärung ist von ethischer Relevanz. Denn sie macht uns klüger, freier und glücklicher. Dies ist die programmatische Überzeugung, die hinter Spinozas Ethik steht und zahlreiche der darin vorgebrachten Thesen motiviert. Ursula Renz zeigt, welche für eine Theorie des menschlichen Geistes diesem Programm zugrunde liegt. Als entscheidender Schachzug erweist sich die in der Architektur der Ethik angelegte systematische Unterscheidung von Theorieteilen: Auf einen Theorieteil, der sich mit Fragen der Ontologie des Mentalen befasst, folgt mit der Definition des menschlichen Geistes eine Art Subjekttheorie, welche wiederum von einem mit der Konstitution von Inhalten befassten Theorieteil getrennt ist. Dieser Aufbau macht es möglich, verschiedene bei der Erklärung von Erfahrung auftauchende Probleme getrennt zu behandeln. Im Endeffekt gelingt es Spinoza, sowohl Reduktionismen als auch Skeptizismen bereits im Ansatz zu vermeiden. So werden zwei Intuitionen zusammen geführt, die oft für unvereinbar gehalten werden: einerseits die Auffassung, dass Erfahrung etwas irreduzibel Subjektives sei, andererseits die Annahme, dass es bessere und schlechtere Erklärungen von Erfahrungen gibt.