Zusammenfassung
Seit seiner Stiftung am Anbruch des zweiten Jahrtausends ist der Speyerer Dom ein christlicher Sakral- und Memorialbau einzigartigen Rangs. Nach der Bestattung Kaiser Konrads II. zunächst zur dynastischen Grabkirche der Salier gewachsen, entwickelte sich der Dom bis in das 14. Jahrhundert mit weiteren Königsbegräbnissen zur Herrschergrablege des Heiligen Römischen Reichs schlechthin. Diese ist zweifellos bis in die Neuzeit hinein ein Ausnahmefall für das Reich geblieben. Nachweislich seit Anfang des 13. Jahrhunderts hat an diesem herausragenden europäischen Erinnerungsort eine Gemeinschaft von armen Laien, die sogenannten Stuhlbrüder, täglich für das Seelenheil der in der Herrschergruft ruhenden Kaiser und Könige gebetet, und damit wohl eine der prominentesten Memorialleistungen im ganzen Abendland erbracht – und das über nahezu sechs Jahrhunderte. Die Verrichtung des (täglichen!) Gebetsgedenkens für Kaiser und Könige lässt die Stuhlbrüder in einem außergewöhnlichen Licht erscheinen, weil nach dem bisherigen Kenntnisstand zur Memoria an königlichen Grabstätten des Abendlands – außer in Bamberg und erst seit Anfang des 16. Jahrhunderts auch in Westminster Abbey – kein Fall bekannt ist, wo solche Memorialhandlungen Korporationen von armen Laien oblagen. Über das herrscherliche Gebetsgedenken hinaus waren die in Form einer Almosener- und Pfründnergemeinschaft zusammengeschlossenen Stuhlbrüder zu niederen Kirchendiensten verpflichtet. Die Studie erschließt über weite Strecken bislang unveröffentlichtes Quellenmaterial und stellt einen bedeutsamen Beitrag zur Personen- wie Memorialforschung dar. Sie thematisiert Entstehung, Charakter und Funktion sowie die wirtschaftlichen Grundlagen und die Verfasstheit der Stuhlbrüder. Zur Steigerung des dokumentarischen Werts ist ein prosopographischer Anhang zu allen bezeugten Stuhlbrüdern und ein umfangreicheres Kapitel mit Transkriptionen ausgewählter Archivalien angelegt.
Schlagworte
Domstift Deutsches Reich Speyer Kirchendiener Frühe Neuzeit Kirche Almosener Mittelalter Geschichte- 203–204 10. Zusammenfassung 203–204
- 345–358 Register 345–358