Unter den vielfältigen Konflikten in Organisationen kommt denjenigen, welche aus Erfahrungen von Ungerechtigkeit am Arbeitsplatz hervorgehen, eine besondere Bedeutung zu. Vor allem verletzte Tauschgerechtigkeit, welche die Grundlagen des Arbeitsvertrags berührt, vermag bei Betroffenen starke, langandauernde negative Reaktionen auszulösen, die von Verärgerung über Misstrauen, Rückzug bis zu Boykott und Vergeltung, aber auch zu stressbedingten Erkrankungen führen können. Mit dem Modell beruflicher Gratifikationskrisen ist ein theoretischer Ansatz zur Identifizierung entsprechender Konflikte und zur empirischen Analyse ihrer Folgen entwickelt worden. Kern des Modells bildet die Annahme, dass das erfahrene Ungleichgewicht zwischen fortgesetzt hoher beruflicher Verausgabung und unangemessenen, niedrigen Belohnungen (Lohn, Gehalt, Aufstieg, Arbeitsplatzsicherheit, Wertschätzung, Anerkennung) ein entscheidender Auslöser der genannten negativen Reaktionen ist. Ursache hierfür ist die Verletzung des – Vertrauen und soziale Stabilität sichernden – Prinzips sozialer Reziprozität. Im Beitrag wird gezeigt, wie sich dieses Modell von den benachbarten Ansätzen der Organisationsungerechtigkeit und des psychologischen Vertrags unterscheidet. Einem Überblick über vorliegende Evidenz zu den Folgen beruflicher Gratifikationskrisen folgt abschließend eine Diskussion praktischer Folgerungen aus diesen theoriebasierten neuen Erkenntnissen.
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